Musik:Schöne Vielsprachigkeit

Gudrun Mittermeiers neues Album "Seeheim"

Von Dirk Wagner

Es ist schon vier Jahre her, dass die bis dato als Somersault agierende Sängerin erstmals unter ihrem bürgerlichen Namen Gudrun Mittermeier als Musikerin in Erscheinung trat. Damals hatte sie sich dazu entschieden, das sehr persönliche Album "Mitternach" in der Sprache aufzubereiten, mit der die studierte Physikerin aufgewachsen war: nämlich auf Bairisch. Für Mittermeier, die zuvor wie selbstverständlich die Popsprache Englisch bedient hatte, war das freilich eine Herausforderung. Doch die offerierte der wortklangverspielten Texterin so viele neue Möglichkeiten, dass es auch mit Blick auf den wachsenden alpenländischen Pop-Markt naheliegend gewesen wäre, wenn Mittermeier sich nunmehr nur noch des bairischen Ausdrucks bemächtigen würde. Doch einige der neuen Songs wollten einfach englisch sein, erklärt sie den Umstand, dass das an diesem Freitag bei Trikont erscheinende zweite Album unter ihrem bürgerlichen Namen neben bairischen Texten auch wieder englischsprachige führt. Wobei der Sprachwechsel auch mal innerhalb eines Songs passiert - so selbstverständlich geht der Sängerin beides von den Lippen.

Doch Mittermeier belässt es nicht bei einer verbalen Mehrsprachigkeit. Tatsächlich gelingt ihr auf dem Album "Seeheim" auch eine musikalische Vielsprachigkeit, die eine analoge, auf herkömmlichen Instrumenten entfaltete Musik einer elektronisch generierten überliefert. Spannend arrangierte Streicher und Bläser behaupten sich da neben sphärischen Synthieklängen, derweil Gitarren und Schlagzeug mit elektronischen Beats wetteifern. Für letztere hatte Mittermeier zwischenzeitlich eigens die Electronic Music School in Berlin besucht, um die Möglichkeiten eines Sequenzers der Softwarefirma Ableton auszuloten. Darum muss man sich wohl ihr neues Instrument, einen Ableton Live, als eine Himmelspforte vorstellen, durch die Mittermeier nun mit frisch entfachter Electronic-Leidenschaft in neue Klangwelten schreitet. Nur, dass diese nicht konsequenterweise das Paradies aufzeigen. Vielmehr taucht die Sängerin mit solchen Klangwelten hinab in unheimliche Tiefen ihres Frauseins, in Gefühle wie Stolz, Liebe, Trauer und Wut.

Gudrun Mittermeier

Taucht ab in neue Klangwelten: Gudrun Mittermeier.

(Foto: Gerald von Foris)

Gleichwohl ihr dafür ausreichend eigene Songs zur Verfügung standen, überrascht Mittermeier auf "Seeheim" zudem mit einem gecoverten Song. Ein Vergleich mit der Originalversion, wie sie der Hamburger Liedermacher Niels Frevert 2008 als Titelstück seines Albums "Du kannst mich an der Ecke rauslassen" dargeboten hatte, verrät jedoch: Mittermeiers "An der Eckn rauslassn" ist keine gewöhnliche Coverversion jenes traurig-schönen Sehnsuchtssongs. Vielmehr schöpft sie den Song ganz neu, textlich wie auch musikalisch. Als sie Frevert ihre Version darum zur Freigabe per E-Mail geschickt hatte, stimmte dieser binnen weniger Minuten mit Begeisterung der Veröffentlichung zu.

Am Donnerstag präsentiert Gudrun Mittermeier ihr neues Album "Seeheim" live in der Bar Gabanyi. Wegen der Corona-bedingten Maßnahmen ist das Konzert für Zuschauer allerdings nur über einen Live-Stream der Bar auf YouTube und Facebook zu sehen. Dafür mit freiem Zugang, wobei Spenden zum Erhalt der Kultur gewünscht sind. Begleitet wird Mittermeiers Band dabei von der Cellistin Fany Kammerlander, die zusammen mit dem Produzenten Udo Rinklin auch die Streicher auf dem Album arrangiert hatte.

Gudrun Mittermeier: Seeheim; Konzert im Live-Stream der Bar Gabanyi am 28. Mai, 20.30 Uhr

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