Festival:Dunkel schimmernde Klanglandschaften

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Der Berliner Musiker Hans Unstern (re.) zeigt sich nicht nur an seinem neu gebauten Instrument, sondern auch bei allerlei Wortspielereien schöpferisch. (Foto: Florian Schneider/Dorothea Tuch)

Das Münchner "Frameworks Festival" trotzt Corona und lädt im Blitz-Club zu gewohnt experimentellen Popsounds ein.

Von Jürgen Moises

Ihre Entstehungsgeschichte lässt sich bis um das Jahr 3000 vor Christus zurückverfolgen. Das macht die Harfe nicht unbedingt zum neuesten Instrument. Neue Seiten kann man ihr aber trotzdem noch immer abgewinnen, wie aktuell Musikerinnen wie Brandee Younger und Nala Sinephro im Jazz oder Sissi Rada in der experimentellen Popmusik beweisen. Auch der Berliner Musiker Hans Unstern arbeitet mit am Harfen-Revival und hat dafür zusammen mit Simon Bauer mit der sogenannten V-Harfe ein komplett neues Instrument gebaut. Die ist aus Holz und Metall, elektroakustisch und per Hand oder Computer bedienbar. Wie sie klingt, das kann man sich auf dem vor zwei Jahren erschienenen Album "Diven" anhören. Oder am 3. Februar beim Frameworks-Festival im Münchner Blitz-Club.

Das zweitägige Festival, das wie in den vergangenen Jahren wieder von Christian Kiesler und erstmals in Kooperation mit der Musikerin und Schriftstellerin Mira Mann kuratiert wird, hat zwar nicht direkt die Harfe im Mittelpunkt. Aber die Frage, wie sich Popmusik im digitalen Zeitalter neu denken oder auch visuell neu darstellen lässt, die steht bei dem 2011 gegründeten Festival schon immer auf dem Zettel. Bei Hans Unstern kommt hinzu, dass er zudem die Grenzen des Geschlechts und der Identität zum Thema macht. Das zeigt das Cover von "Diven", auf dem man ihn im blauen Kleid, mit blauem Lidschatten, rauschendem Bart und wallendem Haar sieht. Auch ist nicht klar, ob Unstern ein einzelner Musiker oder ein Kollektiv ist.

Die auftretenden Künstler stammen aus Berlin, Brüssel und London

Stilistisch lässt sich der kratzbürstige Pop von Unstern ebenfalls nur schwer einordnen. Und das gilt ähnlich bei Maya Shenfeld, die auch am 3. Februar im Blitz auftritt. Die Musik der Berlinerin bewegt sich irgendwo zwischen Pop, Klassik und elektroakustischem Klangexperiment. Christina Vantzou, die einen Tag später auf der Bühne steht, stammt aus Kansas, hat griechische Wurzeln, aber lebt in Brüssel. Als Komponistin entwirft sie einen orchestralen Ambient-Sound, der den Computer und orale Traditionen einbezieht und den sie live gerne mit Slow-Motion-Videos verbindet. Coby Sey aus London ist Sänger, experimenteller Musiker und DJ und wildert im Bereich von Hip-Hop, Jazz und Grime. Und Ziúr aus Berlin ist vom Punk aus bei dunkel schimmernden Klanglandschaften gelandet, welche die Musikerin und Produzentin inzwischen auch in Form von Film- und Theatersoundtracks umsetzt.

Das alles spricht für spannende und gewagte Experimente, wie es das Festival selber eines ist. Es jedenfalls trotz Corona nicht wie beim letzten Mal nur online, sondern vor Ort durchzuziehen, dazu haben sie sich, erzählt Christian Kiesler, Anfang November entschlossen. Was nun bedeutet, dass unter der Vorgabe von "2G+" und FFP-Maskenpflicht nur 50 Zuschauer pro Abend zugelassen sind. Für erschwingliche 10 Euro, und wenn es nicht zu unerwarteten Lockerungen kommt, sind die wenigen Karten leider schon weg. Aber auch wenn diese Einschränkungen allesamt sehr "schmerzlich" sind: Darin, "Frameworks" überhaupt stattfinden zu lassen, sieht Kiesler trotz allem "ein richtiges Signal für das Publikum und die Künstler".

Frameworks Festival, Do. und Fr., 3. und 4. Feb., jeweils 20.30 Uhr, Blitz-Club, Museumsinsel 1, www.frameworks-festival.de

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