Musik:Münchner Architekt will Konzertsaal unter dem Königsplatz bauen

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Christoph Nagel-Hirschauer ließ schon eine Simulation für das Projekt anfertigen und die neue Pariser Philharmonie maßstabsgetreu unter die Erde bringen. (Foto: Architekten Schmidt-Schicketanz und Partner/Seier+Seier/Rakete GmbH)
  • Der Münchner Stararchitekt Christoph Nagel-Hirschauer schlägt einen neuen Konzertsaal unter dem Königsplatz vor.
  • Ein neuer Konzertsaal sollte als unterirdisches Musik- und Kulturzentrum konzipiert werden.
  • In anderen Städten gibt es bereits kulturelle Orte, die nach unten statt nach oben gebaut wurden.

Von Christian Krügel

Der Bau eines neuen Konzertsaals in München könnte schon recht bald konkret werden: Die Staatsregierung lässt bis Oktober fünf mögliche Standorte von einem Stadtplanungsbüro begutachten, die Arbeitsgruppe des Kultusministeriums hat dafür in den vergangenen Wochen für jedes der möglichen Grundstücke reichlich Daten und Material zusammengetragen. Noch vor Jahresende soll es eine Entscheidung geben.

Das wäre dann allerdings nicht nur das Ende einer fast 15-jährigen Debatte, sondern auch einer überbordenden Kreativität, welche die Münchner rund um ihre neue Philharmonie an den Tag gelegt haben. Kaum ein Monat verging, in der nicht neue Standortvorschläge und Architekturkonzepte entwickelt und präsentiert wurden. Oberbürgermeister Dieter Reiter erzählte zuletzt, er könne kaum noch zu einer Veranstaltung gehen, ohne mit mehreren neuen Ideen für einen Konzertsaal nach Hause zu kommen, die ihm Bürger wieder zugesteckt hätten.

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Ein ungewöhnlicher Vorschlag

Und auch jetzt, da die Planung schon sehr konkret wird, sprudelt die Kreativität der Münchner weiter. Einen der wohl ungewöhnlichsten Vorschläge hat der Münchner Architekt Christoph Nagel-Hirschauer ausgearbeitet: Ein neuer Konzertsaal sollte als unterirdisches Musik- und Kulturzentrum konzipiert werden - und zwar direkt unter dem Königsplatz. "Wir können hier ein ganz neues Kulturforum schaffen, das Kunst, Musik und Geschichte vereint und zugleich spektakuläre Architektur schafft", glaubt der Architekt.

In der Tat wäre die Architektur wohl spektakulär: Die Skizzen sehen ein Gebäude vor, das direkt unter dem Königsplatz 30 bis 40 Meter in die Tiefe gebaut werden müsste. Dort wäre dann aber reichlich Platz, um mehrere Säle und Foyers, vor allem aber eine große Philharmonie mit 1800 Plätzen unterzubringen.

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Spezialisten für besondere Tiefbauten

Das mag zunächst reichlich absurd klingen. Nun ist aber Christoph Nagel-Hirschauer nicht irgendein Architekt mit verrückten Ideen, sondern einer der Geschäftsführer des großen Architektur-Büros Schmidt-Schicketanz und Partner GmbH. Das ist unter anderem mit der Sanierung des Deutschen Museums beauftragt, einem der wichtigsten und teuersten Kulturprojekte im Freistaat.

Die Architekten sind ausgewiesene Spezialisten beim Bauen in die Tiefe: In Nürnberg erstellen sie gerade ein neues unterirdisches Depot für das Germanische Nationalmuseum. Dort entstehen in vier Untergeschossen auf 4500 Quadratmetern Lagerflächen für das Museum, die Grundsohle des Gebäudes wird bei 22 Meter unter der Erdoberfläche liegen. "Bauen in die Tiefe ist technisch heute kein Problem mehr - und in Städten wie München mit immer weniger freien Grundstücken kann es viele Probleme lösen", sagt Christoph Nagel-Hirschauer. So auch in der schwierigen Standortdebatte für einen neuen Konzertsaal, glaubt er.

Am Königsplatz ließe sich der Streit lösen - und zugleich eine historische Idee wieder aufgreifen. König Ludwig I. habe bei der Konzeption des Platzes immer ein Forum für alle Künste im Sinn gehabt, ein Haus für die Musik aber nicht mehr verwirklichen können. Heute brauche die Maxvorstadt für das Kunstareal und den Königsplatz ohnehin ein neues Verkehrskonzept. Also schwebt dem 57-jährigen Architekten eine Umgestaltung des Königsplatzes zu einem verkehrsfreien Kulturforum vor.

Oberirdisch sollten die Autos vom Platz verschwinden und allenfalls in eine neue Tiefgarage unter der Arcisstraße fahren. Auch die Luisenstraße zwischen TU, Lenbachhaus und Königsplatz sollte für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. So entstünde rund um die Propyläen eine Kultur- und Flaniermeile. Und das alte Tor im griechischen Stil könnte zugleich Zugang in eine unterirdische Musikwelt werden: Durch die Propyläen gelangte man in das Foyer und den Saal unter der Oberfläche. "Konzertsäle brauchen kein Tageslicht, ich sehe kein Problem, ihn unter die Erde zu bringen", sagt Nagel-Hirschauer. Natürliche Beleuchtung über Lichtschächte brauche man freilich für die Foyers, zudem wohl auch zwei weitere Eingangspavillons. Beides müsste auf dem Königsplatz und neben Glyptothek und Antikensammlung architektonisch geschickt integriert werden.

Unter dem 18 000 Quadratmeter großen Königsplatz wäre reichlich Platz für eine Philharmonie. (Foto: Foto/Simulation: Architekten Schmidt-Schicketanz u. Partner/Seier+Seier/Rakete Gmbh)

Viele Fragen, aber keine unlösbaren Probleme

"Wir müssen hier den Denkmalschutz vernünftig weiterentwickeln", sagt Nagel-Hirschauer. Andere Metropolen hätten München gezeigt, was mit unterirdischen Bauten möglich sei: Allen voran Paris mit der Louvre-Pyramide oder auch Vancouver, das für seinen neuen Konzertsaal ebenfalls in die Tiefe grabe. Am Königsplatz gebe es ja jetzt bereits den unterirdischen Kunstbau des Lenbachhauses, der zum direkten Zugang zum Kulturforum von der U-Bahn aus werden könnte.

Technisch gebe es viele Fragen, aber keine unlösbaren Probleme. Ein 40 Meter tiefer Bau könne als offene Baugrube oder auch Geschoss für Geschoss unterirdisch gebaut werden - so wie zuletzt am Luise-Kiesselbach-Platz. Ein Saal wäre unterirdisch ohne Weiteres so schallisoliert zu bauen, dass Erschütterungen auf dem Platz in der Philharmonie gar nicht zu bemerken wären. "Der Königsplatz muss auch oberirdisch weiter bespielbar bleiben", sagt Nagel-Hirschauer. Brandschutz, Fluchtwege, Belüftung - all das ließe sich bei einem Konzertsaal ähnlich klären wie bei einem Verkehrs- oder Bahntunnel. Das Zentralbauwerk für die zweite Stammstrecke am Hauptbahnhof werde ja mindestens so tief in die Erde reichen. Und die Kosten für seine Höhlen-Philharmonie schätzt Nagel-Hirschauer nur unwesentlich höher als für einen herkömmlichen Hochbau. "Der Bau ist kompliziert, aber dafür spart man sich die Kosten für die Fassade."

Viele Fragen müssten freilich noch geklärt werden. Wie ist der Untergrund unter dem Königsplatz beschaffen? Lässt sich ein möglicher Tunnel für eine neue U-Bahn-Strecke gleich mitkonzipieren? Was erlaubt der Denkmalschutz? "Es kann sein, dass die Idee scheitert, aber ich will sie zumindest geprüft wissen", sagt Nagel-Hirschauer. Dem Konzertsaal-Verein hat er seine Idee schon präsentiert, auf Antwort wartet er bislang vergebens.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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