Hans Söllner:"Ich bin gar kein großer Künstler"

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Fast so verwittert wie die Ziegelwand hinter ihm: Hans Söllner, der in diesem Fall schon mit seiner Kleidung nicht der gängigen Norm entspricht. (Foto: Stefan Wiebel)

Der Volkssänger und Widerständler Hans Söllner hat mit "Genug" ein recht ernstes Album aufgenommen - und angedeutet, dass es sein letztes sein könnte.

Von Christian Jooß-Bernau, Bad Reichenhall

"Biff Baff holleradio, geht di sowieso nix o" - Hans Söllner ist immer noch Bayerns größter Volkssänger. Und dieser Text ist assoziative Verdichtung des modernen Kommunikationsunfalls, auf die Söllnersche Art so zusammengeschraubt, dass ein Gespür für Logik die semantischen Zusammenhänge ersetzt und am Ende ein Lachen bleibt, das da beginnt, wo der Grant endet. "Biff Baff Bimm Bamm Bumm, schau halt ned so dumm."

Hans Söllers Stimme ist inzwischen rissig wie ein altes Holzmöbel, die Melodie ist Volkslied-Punk, begleitet auf der akustischen Gitarre, die er nach all den Jahren mit der rhythmischen Präzision einer klappernden Wassermühle zupft.

2013 hat Söllner sein letztes Album veröffentlicht. Dass es nun mit "Genug" eine neue Platte gibt, ist keine Selbstverständlichkeit bei einem, der das Studio scheut, und der bei all dem, was man über ihn, den Wilden, den kiffenden Widerständler, den prozesserprobten Spezialbeauftragten für bayerische Staatsgewalt, zu wissen glaubt, eine fragile Künstlerpersönlichkeit ist.

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Die Welt, sie ist nicht mehr dieselbe, seit er 1988 beim Münchner Label Trikont Sein Album "Hey Staat!" veröffentlichte. 33 war er damals, 63 ist er jetzt. Für seine Prozesskosten hätte er sich leicht ein Haus bauen können. Gerichtsmassige Auftritte aber sind ihm schon länger zu blöd, und die CSU ist auch kein ebenbürtiger Gegner mehr. "Genug" heißt sein neues Album, das, abgesehen von "Biff Baff" und dem Lied "McMoerfi" über einen Polizisten, dessen Schäferhund und Frau, ein ernstes geworden ist: "Da bin ich eigentlich ziemlich froh, weil mich das jahrelang gestresst hat", sagt er, "die 'Sau aus Berchtesgaden' und dieser ganze Quatsch, was man mir so angedichtet hat."

Auf seinem Facebook-Account gibt es Menschen, denen das aufstößt, die den Gaudi-Söllner zurückwollen. Aber Söllner ist kein Künstler, den man sich zurechtwünschen kann: "Ich sehe das Weltgeschehen, ich habe Kinder, ich habe zwei gescheiterte Ehen hinter mir. Und ich weiß, dass die Menschheit da draußen im Großen und Ganzen unglücklich ist. Ich kann ihnen nicht durch lustige Lieder ihr Leben schöner machen. Eigentlich muss man es ihnen sagen, woran es liegt, dass es ihnen schlecht geht."

Deshalb hat er ein Lied über Menschen auf der Flucht geschrieben, eines über ein "Straßenmädchen" und eines über den bodenlosen Schmerz, den der Tod reißt. Sicherheit ist eine Illusion, das hat er in den letzten Jahren selber erfahren. Er hätte, sagt er, so gerne funktioniert. Wollte, um seine Beziehung zu retten, sogar auf das Musikmachen verzichten, auf die Herumreiserei, ein Leben von Bühne zu Bühne: "Eigentlich habe ich alles auf die Gitarre geschoben. Wenn ich Mechaniker oder Koch geblieben wäre, habe ich mir gedacht, dann hätte ich jetzt eine glückliche Ehe." Die Ehe zerbrach.

Und dann starb im März diesen Jahres Achim Bergmann, der Trikont-Chef: "Er war mein bester Freund", sagt Söllner: "Man hat nicht wirklich viele beste Freunde." Bergmann hat Söllner geholfen, der Künstler zu werden, der im bayerischen Underground so deftig rumorte, dass es an der Oberfläche zitterte. Er hat ihm, nach einem ersten, halbseidenen Plattenvertrag eine neue Heimat gegeben. Und vor allem Freiheit. Zusammen mit seiner Partnerin Eva Mair-Holmes war Bergmann meisterlich als Exeget seiner Künstler: "Es hat keinen anderen gegeben vor ihm und nach ihm auch nicht, der das wirklich kapiert hat, bei mir, was ich zum Teil selbst nicht einmal kapier," sagt Söllner.

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Er ist als Sänger einer, der reagiert. Auf das, was er sieht, fühlt, schmeckt, riecht. In diesem spontanen Reagieren liegt ein großes Risiko der Selbstverunsicherung. "Ich bin gar kein großer Künstler", sagt er, "ich habe halt die Gabe, dass ich mich hinsetze und einen Text schreiben kann. Manchen Leuten gefällt er und manchen Leuten gefällt er halt nicht. Der Achim hat etwas anderes in mir gesehen. Der hat mehr in mir gesehen, als ich in mir sehe."

Über den Titelsong der Platte und das darauffolgende Lied, wird man beim ersten Hören der Platte stolpern. Söllner singt hochdeutsch, auf diese leicht bairisch angeschlagene Art, der man immer das Bemühen um Deutlichkeit anhört. Es geht um islamistische Selbstmordattentäter einerseits, um die Unterdrückung der Frauen in muslimisch konservativ geprägten Ländern andererseits - und das ist thematisch doch so weit weg von Bad Reichenhall, dass man sich fragt, ob der Sänger Söllner als Botschafter einer liebevollen Welt den Hauch einer Chance hat.

Söllners Kunst ist die Kommunikation

Hier aber unterschätzt man einen, der aus dem eigenen Leben heraus schreibt. Im Booklet findet sich der Text von "Genug" als Übersetzung auf Farsi, erstellt von Ali Didar. Der ist eines von zwei Pflegekindern, die sie aufgenommen haben und der mittlerweile bei Söllners geschiedener Frau lebt. Als Hazara ist Ali Angehöriger einer ethnischen Minderheit in Afghanistan. Mittlerweile hat er eine Lehrstelle, die Duldung noch nicht. Die Angst, die Hoffnung, die Traumatisierung - sie ist auch Teil von Hans Söllners Leben geworden.

Seine Kunst ist Kommunikation, immer gewesen. Das weiß, wer seine großen brutalkabarettistischen Bühnenmomente kennt. "Ich bin gern auf der Bühne. Ich bin gern unter die Leit", sagt er. "Rassist" heißt der erste Song des neuen Albums. Hier hat er einen direkten Ansprechpartner, den er duzt, und verbal dermaßen abwatscht, dass ihm das Resthirn im Kopf schwappt. Als Rausschmeißer gibt es den Song auch, aufgenommen mit Banda Internationale, einer Trikont-Gruppe aus Dresden, live gespielt auf einem Festival in Wassertrüdingen. Söllners Bedingung war, dass er nicht zum Üben ins Studio muss. So ist die Nummer komplett ungeprobt auf dem Album gelandet. Und das funktioniert. Weil der Sänger in der maximalen Direktheit und Konfrontation am Besten ist.

Insgesamt 21 Titel hat Söllner für seine Platte bei Trikont abgeliefert. Die Auswahl war ihm wurscht. Er ist eh der Meinung, es gebe schon genug von ihm. Aufgenommen hat er die Lieder in seinem Wohnzimmer mit einem DAT-Rekorder, ein Aufnahmeverfahren, das heute kaum noch jemand verwendet, das aber für einen Typen mit Gitarre ideal ist. Diese Verweigerung, produktionstechnische Normen zu übernehmen und seine Lieder auf irgendeine Art zu frisieren, bestimmt die Ästhetik seines Albums und ist in dieser Form ein Statement, das Söllners Spätwerk angemessen ist.

Es sei bei ihm immer um die Freiheit gegangen, sagt er. Mit seinem neuen Album nimmt er sich die Freiheit, sich als Künstler weiterzuentwickeln. Es könne durchaus sein, dass dies sein letztes sei. Aber wenn das Aufnehmen im Wohnzimmer gar so einfach geht, könnte man da nicht jedes Jahr ein Album machen? "Des kannt ma scho", sagt Hans Söllner. Er lacht. "Aber I mog net."

© SZ vom 12.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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