Musik:Einer, der neugierig bleibt

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Facettenreich: Nicht nur in der Zusammenarbeit mit Michael Ende feierte Wilfried Hiller große Erfolge. (Foto: Klaus Lipa)

Zum 80. Geburtstag des Komponisten Wilfried Hiller

Von Sabine Reithmaier, München

Wilfried Hiller vielseitig zu nennen, wäre eine starke Untertreibung. Das zeigt schon die Liste der Berufe und Tätigkeiten, die er ausgeübt hat: Er war Schlagzeuger, Organist, Ballett-Korrepetitor, Musikredakteur, Tonmeister, Hochschullehrer, Präsident des Bayerischen Musikrats, Festivalgründer, Veranstalter und natürlich und zuvorderst ein Komponist, der Musik über Menschen für Menschen schreibt. Für alle übrigens, egal wie jung oder alt sie sind. Hauptsache, sie haben sich wie Hiller die neugierige Offenheit bewahrt, die Kindern zu eigen ist. Und an seiner Freude, immer wieder Neues zu erkunden, wird auch der 80. Geburtstag, den er an diesem Montag feiert, nichts ändern.

Hiller reizt seit jeher das Mythisch-Märchenhafte. In fast all seinen Stücken - inzwischen sind es mehr als 100 Werke - arbeitet er mit Zahlensymbolik. Seine bekanntesten Werke entstanden in kongenialer Zusammenarbeit mit Michael Ende. Den Schriftsteller hatte er 1978 bei einem Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom kennengelernt. Es wurde eine lebenslange Freundschaft daraus, die bis zum Tod Endes 1995 währte. Fast alle Stücke der beiden wurden zu Publikumsmagneten, brachen Aufführungsrekorde, egal ob es sich um den "Goggolori", das "Traumfresserchen" oder den "Rattenfänger" handelte.

Doch Hillers Musik weist noch viel mehr Facetten auf. Er schrieb Kammer- und Vokalmusik, dramatische Monodramen wie "Ijob", Orchesterwerke wie "Pegasus 5" oder "Tarot XVI Der Turm der Zerstörung" für Zither und Streichorchester, ein Stück, mit dem er auf den 11. September 2001 reagierte. Inspiration schöpft er aus vielen Quellen. Das kann Wilhelm Busch sein ("Liebestreu und Grausamkeit" oder "Geigenseppel"), altgriechisch Sagenhaftes ("Niobe") oder die Geschichte eines mittelalterlichen Minnesängers, die er in der Oper "Wolkenstein" (2004) erzählt. Seine Werke für Musiktheater entscheidend mitgeprägt hat jedenfalls die Zusammenarbeit mit seiner Frau, der 2013 verstorbenen Schauspielerin Elisabeth Woska.

Geboren wurde Hiller am 15. März 1941 im schwäbischen Weißenhorn. Da der Vater im Krieg gefallen war, steckte ihn die Mutter in ein Benediktiner-Internat in Augsburg. Über die sexuellen Übergriffe und Züchtigungen, denen er dort jahrelang ausgesetzt war, sprach der mit vielen Preisen ausgezeichnete Komponist lange nicht, redete davon erst 2013, als er die "sehr unangenehme Kindheit" musikalisch überwunden glaubte. Die Erfahrungen dort machte er dafür verantwortlich, dass es ihm erst spät möglich wurde, sakrale Musik zu schreiben. 2005 entstand die Kirchenoper "Augustinus", 2010 folgte das Oratorium "Der Sohn des Zimmermanns" (2010). Am Musikdrama "Dawid" arbeitet er noch.

Hillers musikalisches Leben begann mit einem Klavierstudium am Augsburger Leopold-Mozart-Konservatorium. Doch als er auf Anregung von Karl Amadeus Hartmann an die Hochschule für Musik in München wechselte, entschied er sich neben Komposition für Schlagzeug und Pauken, spielte als Schlagzeuger dann auch im Symphonieorchester des BR und am Gärtnerplatztheater - sein vierteiliger "Katalog für Schlagzeug" (1966-1975) gehört bis heute zum Repertoire der Zunft.

Für die Erweiterung seines musikalischen Horizonts über den europäischen Tellerrand hinaus sorgte der Musiktheoretiker Hermann Pfrogner, Komposition studierte er bei Günter Bialas, gründete 1968 die Konzertreihe "musik unserer zeit", aus der später die "Münchner Musiknächte" hervorgingen. Wegweisend für den Komponisten Hiller aber war Carl Orff, mit dem er von 1968 an bis zu dessen Tod in nahezu täglichem Kontakt stand. Er kümmert sich bis heute um das Werk Orffs, steht seit 2008 der Orff-Stiftung vor, initiierte auch das Festival "Orff in Andechs".

Die Münchner Musikszene ist ohne ihn und sein entschiedenes Engagement für Neue Musik nicht vorstellbar. Und daran wird sich hoffentlich noch viele Jahre nichts ändern.

Die Münchner Symphoniker haben Hiller zu Ehren das Musiktheaterstück "Der Lindwurm und der Schmetterling" aufgenommen. Das Video geht am 15. März um 19 Uhr auf der Webseite der Symphoniker online.

© SZ vom 15.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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