Musical:In Schönheit sterben

In der dunklen Operette "Sweeney Todd" übt ein Barbier blutige Rache an der Londoner Gesellschaft. Im Deutschen Theater dürfen einige Zuschauer mitten im Gemetzel auf der Bühne Platz nehmen.

Von Michael Zirnstein

Freilich haben auch Frauen einiges zu fürchten, wie leicht verschnippelt sich der Friseur in Richtung Ohrläppchen. Aber Männer beim Barbier - das weckt eine ganz ureigene Angst. Der Anblick eines Rasiermessers, wie sie bei Hipster-Hairstylisten gerade wieder in Mode sind, lässt die exponierte Halsschlagader heftig pochen, obwohl die wenigsten diesbezüglich von blutigen Unfällen aus dem eigenen Umfeld berichten können. Vielleicht liegt die Angst des Aderlasses in alten Schlitzer-Krimis wie Zimmer 13 von Edgar Wallace begründet, sicher aber auch in den aktuell aufgehängten Plakaten eines vollbärtigen Messerschwingers zum Musicals "Sweeney Todd". Die Hauptfigur verbreitet schon seit 170 Jahren Angst und Schrecken: 1846 tauchte der Serienmörder Todd erstmals in einer Groschen-Zeitungs-Geschichte auf: "The String of Pearls - A true Romance", womit eine Perlenkette aus Blutstropfen gemeint war.

Es gab mehrere Filme über Sweeney Todd - den teuflischen Barbier der Fleet Street, den ersten 1936 mit Tod Slaughter, den berühmtesten 2007 von Tim Burton mit Johnny Depp. Der gewann einen Oscar für das beste Szenenbild, aber bei weitem nicht so viele Preise wie das 1979 uraufgeführte Broadway-Musical mit den Texten und der Musik von Stephen Sondheim (dem Texter der "West Side Story"): Seine "tiefschwarze Operette" heimste unter anderem acht Tonys und zehn Laurence-Olivier-Awards ein sowie einen Grammy für den von Horrofilmen wie Psycho inspirieren Soundtrack. Musikalisch ist die Version des English Theatre Frankfurt, das im Deutschen Theater München bereits mit feinen Produktionen wie "The Hound Of The Baskervilles" und "Cabaret"gastierte, auf einen industriellen Klang zweier Klaviere und zweier Schlagzeuge reduziert. Dadurch sollen die von "Natural Speakers" durchwegs gesungen Dialoge hervortreten.

Musical: Sprachlos sind die Kunden, wenn der Haarschneider Sweeney Todd mit ihnen fertig ist. Ansonsten singen alle Darsteller des Musicals in ihrer englischen Muttersprache.

Sprachlos sind die Kunden, wenn der Haarschneider Sweeney Todd mit ihnen fertig ist. Ansonsten singen alle Darsteller des Musicals in ihrer englischen Muttersprache.

(Foto: Martin Kaufhold)

Es geht um einen Mann, der von einem Richter (der scharf auf dessen Frau war), zu Unrecht in eine australische Strafkolonie geschickt worden war. Nach 15 Jahren kehrt der Betrogene zurück, knöpft sich den Richter auf dem Barbierstuhl vor und gleich dazu etliche andere Londoner Bürger, die in den Fleischpasteten der liebreizenden Mrs. Lovett landen: Ja, Rache ist Blutwurst - vielleicht kommt dieser Spruch daher.

Zu dem englischsprachigen Musical gibt es vor jeder Vorstellung eine Einführungsveranstaltung und ausführliches Unterrichtsmaterial für Schulklassen, die etwa lernen können, dass "fish me squiff" und "push me parsley" im viktorianischen England Aufforderungen zum Sexualverkehr waren. 16 Gäste dürfen in jeder Aufführung direkt auf der Bühne Platz nehmen. Keine Angst, gegen umherspritzendes Blut und Pastetenfetzen werden Regenumhänge verteilt.

Sweeney Todd, Vorstellungen bis So., 15. März, Deutsches Theater, Schwanthaler Straße 13, Karten unter Telefon 21 83 73 00 oder online

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