Entsteht wirklich etwas Neues, wenn man zwei Klassiker kombiniert? Jeder kennt wohl „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens. Der Geizhals Ebenezer Scrooge, der nicht einmal zu Weihnachten etwa von seinem Vermögen abgeben möchte, und die drei Geister, die ihn umzustimmen versuchen. Das alles im viktorianischen London. Und dann ist da Michael Schanze, auch irgendwie ein Klassiker, zumindest der deutschen Fernseh-Unterhaltung, 77, Showtreppen-erfahren, Schauspieler, Sänger, Komponist. Wie gehen Dickens und Schanze zusammen? Erstaunlich gut. Musical-Autor Christian Berg schrieb den Handlungsrahmen, Schanze komponierte Gesangseinlagen. Das fertige Stück lief dann zunächst auf kleineren Bühnen, entpuppte sich aber als so großer Erfolg, dass es sich nun, neu arrangiert, in größeren Häusern wie dem Deutschen Theater beweisen kann.
„Heiße Maronen!“ – sie werden den Besuchern im Deutschen Theater schon von der Bühne aus angepriesen, ehe sie sich überhaupt niederlassen. Es gibt keinen Vorhang, das Bühnenbild – zwei Häuserreihen öffnen sich in ihrer Mitte zu einer gemütlichen englischen Gasse – ist schon vor Beginn des Stücks zu sehen. Dann geht’s los mit einer wuseligen Einstiegsszene, Gesang und, in diesem Fall, weihnachtlichem Glockenläuten. Musicalstar Uwe Kröger hat sichtlich Freude an der Rolle des Ebenezer Scrooge. Er und das Ensemble erzählen den Klassiker mal ernst, mal albern, meistens aber fröhlich und sehr kinderfreundlich. Gelegentlich ergänzt ein Charakter die Handlung, der so nicht bei Dickens vorkommt. Da mischt sich eine Tür mit stark bayrischem Akzent in das Geschehen ein oder diskutiert angeregt mit der eleganten Straßenlaterne.
Die Kulisse aus weihnachtlichen Häuschen öffnet gelegentlich ihre Türen, und erlaubt den Einblick in neue Szenerien und Schauplätze, ein Bild im Bild, sozusagen. So entsteht beinahe das Gefühl, an einem Filmset zu sein. Dass in manchen Szenen der Hintergrund durch ein digitales Bewegtbild ergänzt ist, trübt jedoch den Gesamteindruck. Da hätte man den reichlichen Platz auf der Bühne mit etwas Kreativität besser nutzen können. Also Abzug in der B-Note.
Das Wichtigste aber für ein gelungenes Musical: die Musik. Die Songs tragen hier nicht nur eindeutig Michael Schanzes Handschrift und geben der alten Dickens-Geschichte einen ausgelassenen Ton, Texte und Melodien sind auch besonders catchy. Sodass das stehende Publikum das meiste bei der Zugabe schon fast auswendig mitsingen kann.

Dabei hatte Michael Schanze anfangs gezögert, als die Anfrage kam, die Musik für das Musical beizusteuern. Er, der Erfahrene, hielt, obwohl er viel für seine eigenen Shows und für den Film „Krambambuli“ geschrieben hat, die Idee erst für zu abwegig. „Ganz ehrlich, als mir die Frage gestellt wurde, habe ich geantwortet: Ich bin in meinem Leben gut damit gefahren, dass immer die Leute den Job gemacht haben, deren Beruf das auch wirklich ist. Mein Beruf ist es nicht“, gibt er zu. Überreden ließ er sich dennoch. „Ich ärgere mich im Nachhinein, wo ich selbst auch sehe, dass es wirklich gut läuft, dass ich nicht schon ein bisschen früher damit angefangen hab’.“ Auch für ihn war dieser Erfolg also eine kleine Überraschung – und der Beweis, dass es nicht immer neuer Ideen bedarf, sondern manchmal nur einer neuen Rezeptur.
Eine Weihnachtsgeschichte, bis 8.12., Deutsches Theater