Rock 'n' Roll:'We will rock you' statt 'Hänschen klein'

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"Ich wollte Musiker werden. Aber durch meinen Vater wusste ich auch, wie schwer das ist", sagt Freddie Mack. (Foto: privat)

Freddie Mack ist Patenkind von Queen-Sänger Freddie Mercury, Rock 'n' Roll-Musiker - und arbeitet im Kindergarten. "Ich gehe da genauso hin wie zum Konzert", sagt er.

Von Michael Zirnstein

Mehr Rock 'n' Roll, als Freddie Mack in die Geschichte des Namens seiner Band packt, geht nicht. Es geht um Sex, zumindest ein bisschen, denn alles begann im kalifornischen San Fernando Valley, genannt "die Porno-Hauptstadt der Welt". Und es geht um Drugs, zumindest das, was echte Männer so für Drogen nehmen. Da saß der damals 14-Jährige also zusammen mit einem der vielen alten Rocker-Freunde seiner Familie, Warren Pash, der mal den Hit "Private Eyes" von Hall & Oats geschrieben hatte, beim Grillen im Garten, und der sagte: "Ich liebe Fleisch! Wäre das nicht geil, wenn man das saufen könnte? Oder sich intravenös spritzen?" Und Freddie Mack stieg ein: "Du meinst: flüssiges Fleisch?" Und Pash fand: Das wäre ein großartiger Name für eine Band: Liquid Meat.

Im geräumigen Backstage-Bereich im Obergeschoss des Münchner Kulturzentrums Feierwerk gibt es wie üblich Salat und vegetarische Pasta. Freddie Mack ist trotzdem begeistert - dass es überhaupt etwas gibt bei diesem Rock-Festival, das Schüler des Klenze-Gymnasiums organisiert haben. Sie haben Liquid Meat zum zweiten Mal gebucht, diesmal als Headliner um Mitternacht. "Die haben einen gut gefüllten Kühlschrank hier", lobt Mack, der sich noch ein Bier herausangelt, "und ich muss mich nicht auf dem Klo umziehen. Das sind professionelle Rockstar-Bedingungen, wie sie überall sein sollten."

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Er kann das vergleichen. Als seine Familie zwischenzeitlich in den USA wohnte, trat er "in so ziemlich jeder Bar und jedem Club in Los Angeles" auf. Am Sunset Strip zwar nicht im berühmten Whisky oder im Roxy, denn die verlangten 500 Dollar, wenn man dort spielen wollte, aber direkt dazwischen im Cat Club. In dem Laden, der dem Stray-Cats-Drummer Slim Jim Phantom gehört, durfte rein, wer genug Publikum mitbrachte - und das taten Liquid Meat meistens.

Als Freddie Mack 2011 nach Deutschland zurückzog, weil seine Mutter "wieder zu Fuß zum Brezenkaufen gehen können wollte", stand er schon bald vor Henry Rollins auf der Headbanger-Stage des Riesen-Open-Airs in Wacken. Per Kleinanzeige suchte er sich dann neue, deutsche Mitmusiker. Auch in München trat er überall auf, "wo Hardrock noch erwünscht ist". Aber die Möglichkeiten schrumpfen, bedauert er: "Südstadt, Kyeso, Bank, Exzess, die gibt's nicht mehr oder die machen nicht mehr viel." Das Problem der Live-Musik-Szene - nämlich, "dass es keine Live-Musik-Szene gibt", also Bühnen, wo Menschen einfach hingehen, egal welche Band dort auftritt - hat er seitenweise in seinem Internet-Blog "Rant & Roll" (etwa: "Rotz 'n' Roll") seziert.

Dass Freddie Mack so sehr für die Musik brennt, hat auch mit seinem Namen zu tun. Sein Vater Reinhold Mack - in der Szene ehrfurchtsvoll "Der Mack" genannt - hat als Toningenieur und Produzent in Giorgio Moroders geschichtsträchtigen Musicland Studios an den Alben von Rock-Giganten wie Rolling Stones, Electric Light Orchestra und The Sweet mitgearbeitet und so den Sound of Munich zur Weltmarke gemacht. Als er 1982 mit den britischen Glam-Rockern Queen an der LP "Hot Space" brütete, sagte er immer wieder: "Es ist leichter, ein Kind zu kriegen, als mit euch ein Album auf den Weg zu bringen." Das wurde zum Dauerwitz, und dann, als sich wirklich bei den Macks Nachwuchs ankündigte, zur Steilvorlage: Freddie Mercury gab dem Kind nicht nur seinen Vornamen, der Queen-Sänger wurde auch Patenonkel. Er nahm die Aufgabe ernst. Sein persönlicher Assistent Peter Freestone soll einmal gesagt haben: "Freddie Mercury hatte keine Kinder, aber Freddie Mack kommt dem am nächsten." Zur Geburt soll Mercury einen ganzen Blumenladen leer gekauft haben.

Macks Vater ist Musikproduzent (Im Bild mit "Queen"-Sänger Freddie Mercury) und arbeitete schon mit Bands wie "Rolling Stones", "Electric Light Orchestra" und "The Sweet". (Foto: privat)

Und er widmete seinen Solo-Song "Made in Heaven" seinem Patenkind. "Wenn ich das höre, fang ich heute noch an zu heulen", sagt Freddie junior. Wenn neue Alben anstanden, zog Mercury bei den Macks in Gräfelfing ein, oder die Macks wohnten bei ihm in London. Freddie Mack erinnert sich: "Bei Harrods sagt er dann: Kauf dir, was du willst. Ich habe das schon ausgenutzt", sagt er. An das lange Sterben seines an Aids erkrankten Paten kann er sich kaum erinnern, auch weil Mercury sich zurückzog, um seinen Lieben den schrecklichen Anblick zu ersparen. "Ich war neun, da habe ich noch keinen Sinn für den Tod gehabt."

Freddie Mack hat im Laufe der Jahre die Schattenseiten der Rockmusik kennengelernt; er hat so viele Musiker scheitern sehen - im Leben wie auf dem Plattenmarkt. "Ich wollte Musiker werden. Aber durch meinen Vater wusste ich auch, wie schwer das ist. Das hat mich in eine Identitätskrise gestürzt." Freddie Mack studierte Innenarchitektur in den USA, aber mit 19 wusste er auch: "Ich muss spielen." Das war zu der Zeit, als Liquid Meat durchstarteten.

Auch in Deutschland machte die Band Furore. Er hatte schnell ein paar Tausend Facebook-Freunde, die er persönlich anschrieb, als er Geld für die Platte "In Meat We Trust" brauchte - um seinen Vater als Produzenten und Aufnahmezeit im Auratone-Studio zu bezahlen. Freddie Mack hört auf seinen Vater. Er schickt ihm jedes Demo zur Begutachtung. Und Reinhold Mack arbeitet gerne mit seinem Sohn: "Es macht viel mehr Spaß mit ihm als mit den Profis. Da genügt ein Blick ..." Wobei er gleich nachschiebt, dass Freddie inzwischen auch ein Profi ist: "Er hat durch meine Arbeitsweise mitgekriegt, dass man sein Zeug fertig haben muss und nicht im Studio herumsitzt, in der Nase bohrt und darauf hofft, dass aus einem guten Riff ein Song wird."

Freddie Mack hat sich stilistisch emanzipiert - von seinem Vater wie von seinem Patenonkel. Er spielt böse, punkig. Rock-Magazine hörten Motörhead, Pantera, AC/DC, Dead Kennedys und sogar Jazz heraus. Sogar Deep Purple-Gitarrist Roger Glover stimmte in die Lobeshymne ein: "Es ist erfrischend, eine Band zu hören, die sich nicht auf die Rock-Klischees verlässt, sondern Alternativen sucht. Eine andere lebendige Zutat ist ihre Jugend. Und über allem steht ihre Leidenschaft, richtig hart zu rocken." Mit so einem Pfund kann Freddie Mack, der sich um Booking, Pressearbeit, Plakate und alles andere alleine kümmert, freilich wuchern. Davon leben kann er noch nicht.

Als er auf die Anerkennung seines Bachelor-Diploms wartete, machte er eine Ausbildung zum Erzieher. Und blieb dabei. Er arbeitet in einem Elite-Kindergarten. "In den anderen Gruppen singen sie ,Hänschen klein'", sagt Mack, "wir singen ,We will rock you'." Und wenn seine Schützlinge malen, legt er, der in L.A. auf die selbe Waldorfschule ging wie Lenny Kravitz, die Eagles auf. Er sieht tatsächlich mit seinen schulterlangen Haaren und dem markanten Kinn etwas aus wie der Komiker Jack Black als Musiklehrer im Film "School of Rock". Für die Arbeit umziehen würde er sich jedenfalls nicht: "Ich gehe da genauso hin wie zum Konzert." Und das verwundert dann angesichts der reichen Kundschaft schon, wenn man den 36-jährigen Berufs-Teenager so ansieht: Totenkopfschal, Leoparden-Pulli, Schlaghosen.

Er ist selbst der kunterbunte "Rainbow King" aus seinem Song. Oft singt er vom Dasein als Außenseiter und von den Leuten, die das nicht verstehen. "Kennt ihr das Gefühl, wenn man hier in München rumläuft, und die Leute starren einen an, nur weil man die Eier hat, so zu sein, wie man halt ist?", hat er neulich in einem Brief an die Fans geschrieben. In guter alter Punk-Motzigkeit kann er dagegen anstänkern - neuerdings auch mit deutschen Texten: "Nein nein, ich ändere mich nicht / Nein nein, seh's aus meiner Sicht / nein nein, du Arschgesicht / ich bleib, wer ich bin." Er hat schon ein gutes Dutzend Songs auf Deutsch in diesem Stil für das nächste Album fertig.

Im Feierwerk singt er englisch, vielleicht ein Zehntel seiner mehr als 100 Songs. Vor der Bühne stehen aber nur noch ein paar der älteren Schüler, die Minderjährigen mussten um Mitternacht nach Hause. Freddie Mack macht's nichts aus. Er schaut grimmig, hält seinen Bass wie ein Gewehr, feuert harte Ton-Schüsse ab, springt vom Schlagzeugpodest und schmeißt sich in Rockstarpose auf die Knie. Mit seiner Show verspricht er: "Immer in die Fresse, egal was passiert." Und er hält sein Versprechen, egal wer oder wie viele ihm zuschauen. Mehr Rock 'n' Roll geht nicht.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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