Museum:"Hinweise, dass es sogar deutlich mehr Scientologen im Haus der Kunst gibt"

Haus der Kunst in München, 2015

Hinter der Fassade: Im Haus der Kunst sollen weit mehr Scientologen arbeiten als bisher angenommen.

(Foto: Lukas Barth)
  • Unter den Mitarbeitern des Hauses der Kunst soll eine Gruppe Scientology-Anhänger sein - mehr als bisher vermutet.
  • Die SPD-Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias fordert, dass das gesamte Management des Hauses geprüft wird, auch die Vorgänger.
  • Der Verfassungsschutz ermittelt. Vom Personalverwalter hat sich das Haus bereits getrennt.
  • Ein Beschäftiger berichtet: Die Scientology-Ideologie soll seine Arbeit direkt beeinflusst haben.

Von Susanne Hermanski

Im Haus der Kunst verdichten sich die Anzeichen, dass sich im Kreis der Mitarbeiter eine Gruppe von Scientology-Anhängern befindet - deutlich mehr als bisher vermutet. Dies erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus mehreren Quellen.

Vom externen Personalverwalter, der bisher im Fokus des Interesses stand, hat sich das Museum am Mittwoch getrennt. Dies geht aus einer Mitteilung hervor, die Okwui Enwezor, der Leiter des Hauses der Kunst, an seine Belegschaft verschickt hat. Der Aufsichtsratsvorsitzende und Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) bestätigte dies.

Ruhe dürfte trotzdem nicht einkehren im Museum, zu viel Unruhe und Argwohn herrschen unter den Mitarbeitern. Es ist von einem belastenden Arbeitsklima die Rede. Seit Langem beschäftigen die Belegschaft zudem die Scientology-Gerüchte.

Ein weiterer Beschäftigter aus den Reihen des Aufsichtspersonals soll sich bei Kollegen mehrfach offen zu seiner Mitgliedschaft bei Scientology bekannt haben, wie ein anderer Mitarbeiter berichtet. Die SPD-Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias sagt, sie habe "Hinweise, dass es sogar deutlich mehr Scientologen im Haus der Kunst gibt". Sie fordert, "dass das gesamte Management des Hauses geprüft wird und natürlich auch die beiden Vorgänger Chris Dercon und Christoph Vitali."

Währenddessen hat im Haus der Kunst am Donnerstag eine Vollversammlung der Mitarbeiter stattgefunden. Explizit waren dazu auch die vielen Teilzeitkräfte und Minijobber aus dem Aufsichtspersonal eingeladen, die besonders eng mit dem besagten Personalverwalter zusammengearbeitet hatten. Enwezor betonte zuvor im Gespräch mit der SZ, dass dies nicht die erste Vollversammlung sei, die seit seinem Amtsantritt 2011 von ihm beziehungsweise der Geschäftsführung einberufen worden sei. "Wir haben immer in einem hohen Maß transparent gearbeitet." Er sei "sehr enttäuscht", dass nun so viel Aufregung entstanden sei.

Der bayerische Verfassungsschutz untersucht inzwischen, wie aktiv Scientologen im Haus der Kunst sind. Er warnt allgemein davor, dass die Organisation Firmen und Behörden unterwandern wolle, indem Mitglieder Schlüsselpositionen etwa in der Personalverwaltung besetzen, um dann Scientology-Gedankengut weiter verbreiten zu können. Bewerber für den öffentlichen Dienst müssen seit 1996 angeben, ob sie Scientology-Mitglied sind. Gegebenenfalls werden sie auf ihre Verfassungstreue hin geprüft.

Bei der Vollversammlung wollte Enwezor den Mitarbeitern erklären, wie es weitergehen solle. Deren und seine eigene Situation im Haus analysierte er so: "Die Belegschaft ist in mehrere Lager gespalten. Und ich betrachte es als meine Aufgabe, die Beziehungen untereinander wieder zu reparieren."

"Das Gedankengut fließt ungehindert in seine Arbeit ein"

Welche Lager er meinen könnte, hat sich in der vergangenen Woche zu einem Teil offenbart. Während ein Teil der Belegschaft für den Personalverwalter demonstriert hatte, distanzierten sich andere ausdrücklich davon. Es gibt aber auch andere Frontverläufe im Inneren des Hauses: Enwezors Verhältnis zum Betriebsrat gilt als zerrüttet. Ein Teil der Mitarbeiter hat bei der Leitung schon wiederholt über extreme "Überlastung" geklagt. Enwezor selbst indes bedauert, dass im Haus nichts vertraulich bleibe. Jeder verfolge eine eigene Agenda.

Ein Mann, der seine Agenda jahrelang stark verfolgt habe, so zumindest die Schilderung verschiedener Mitarbeiter, sei der freigestellte Personalverwalter gewesen. Der Süddeutschen Zeitung liegen mehrere Schriftstücke aus dem Jahr 2016 vor, in denen Beschäftigte schildern, wie dies geschehen sein soll. "Bei dem Herrn läuft alles nach dem Credo ,Quid pro quo'", heißt es in einem der Schreiben. "Tut man ihm einen Gefallen, hat man mehr Privilegien (in meinem Fall: mehr Einteilung an der Kasse und die Möglichkeit freiberuflich anderweitig tätig zu sein). Konnte man einmal nicht einspringen, wurde er wütend ..." Es sei großer psychischer Druck ausgeübt worden. Die betroffene Person schreibt, dass ihr der eigene Arbeitsvertrag lange nicht ausgehändigt worden sei. Dies sei erst geschehen, als sie den Betriebsrat eingeschaltet und angekündigt habe, sich rechtlichen Beistand zu nehmen.

Ein anderer Mitarbeiter schrieb im Februar 2016 in einem Brief an ein Mitglied des Aufsichtsrats: "Ich würde hier nicht schreiben, wenn der genannte Herr Scientology nur im Privaten handhaben würde. Das Gedankengut fließt ungehindert in seine Arbeit ein." Dies sei auch ein Grund, weshalb es zur Gründung des Betriebsrates im Haus der Kunst gekommen sei. Weiter schildert der Mitarbeiter, dass der Personalverwalter nie Wochenend-Dienste gemacht habe. "Er sagte, er müsse am Wochenende in der Dianetik in Schwabing arbeiten. Einmal hat er drei Aufsichten eingeladen, sich doch einmal die Dianetik anzuschauen." Das sogenannte Dianetik-Zentrum in Schwabing ist einer der Scientology-Standorte in München.

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