Museen:Wagenbauer-Sammlung in Grafing

Entdeckung einer verschmähten Heimat: In Grafing ist das Werk des Künstlers Max Joseph Wagenbauer zu sehen.

Anna Jungk

Anlässlich einer Gedächtnisausstellung zu seinem 225. Geburtstag im Jahre 2000 hat der Maler Max Joseph Wagenbauer im Museum der Stadt Grafing zu seiner bestehenden künstlerischen Präsenz ein menschliches Gesicht hinzugewonnen: Der Grafinger Bildhauer Fritz Brosig schuf anhand von zwei Fotografien, die jeweils eine alte, heute verschollene Wagenbauer-Büste zeigen, eine Porträtplastik aus Gelbguss.

Wagenbauer-Sammlung in Grafing

Wagenbauer ging es in seinem Schaffen um die bayerische Landschaft

Tritt man nun durch die Tür, blickt man ihm gleich ins hellbronzene Gesicht, dem wohl berühmtesten Sohn der Stadt Grafing. Die Züge ebenmäßig, der Blick von gelassenem und doch durchdringendem Ernst - so thront Wagenbauer vor seinem Reich im Museum der Stadt Grafing.

An den Wänden rings um den Bronzekopf ist ein Teil der Grafinger Wagenbauer-Sammlung zu bewundern, hauptsächlich Lithografien, aber auch ein paar Ölgemälde und Bleistiftzeichnungen. Sie alle zeigen, worum es dem gebürtigen Grafinger in seinem Schaffen ging: um die bayerische Landschaft samt ihrer Flora und Fauna, ihren Seen, Schlössern, Städten und Ruinen - weswegen Wagenbauer stets als Tier- und Landschaftsmaler klassifiziert wird.

In naturalistischer Manier malte Wagenbauer das, was zu seiner Zeit Realität war, heute aber ein längst vergangenes Idyll darstellt: ungebrochene ländliche Szenarien, geprägt von einer ursprünglichen Einheit von Mensch und Natur.

Im "Stallinneren" etwa sind Tiere - Kühe, Schafe, Pferde - und die Mitglieder einer Bauersfamilie einander wie selbstverständlich zugewandt. Nicht wie harte Arbeit mutet auch der "Stallaustrieb" an, sondern wie der natürliche Lauf des Lebens, in dessen Harmonie sich alles einfügt. Aus heutiger Sicht mag Wagenbauers Kunst wie eine eher alltägliche Darstellung einer vergangenen Epoche erscheinen, doch zu seinen Lebzeiten (1775 bis 1829) lag darin etwas Neues: die künstlerische Entdeckung der heimischen Landschaft.

Die schönsten Gegenden Bayerns

Der Grafinger malte als einer der ersten etwas, was zuvor als nicht abbildungswürdig gegolten hatte, nämlich die oberbayerische, ländliche Welt - so wie sie war. Damit gehört Wagenbauer zu den bedeutendsten Vertretern der Münchner Landschaftsschule. Doch schlug er diesen Weg nicht nur aus einer selbst errungenen neuen Kunstauffassung heraus ein, sondern auch im Auftrag des Kurfürsten Maximilian IV. Joseph.

Als dessen Hof- und Kabinettzeichner hatte Wagenbauer die Aufgabe, Landschaftsbilder von den schönsten Gegenden Bayerns zu malen. Also unternahm er zahllose Wanderungen durch Ober- und Niederbayern, in die Oberpfalz und zum Bodensee, und schuf hunderte Zeichnungen und Aquarelle, die ihn zu einem bedeutenden Schilderer der heimischen Landschaft machen.

Hinzu kommt, dass Wagenbauer ein Pionier der neuen lithografischen Technik war, mit der er seine Werke vervielfältigte. So fanden diese als Ansichtskarten große Verbreitung und dienten auch als Zeichenvorlage. Das Grafinger Museum besitzt zwei Lithografie-Bände mit Naturstudien Wagenbauers, die ausdrücklich als Lehrmaterial für angehende "Landschafts-Zeichner" bestimmt waren.

"Die gleichzeitige Kunst kennt nichts, was Wagenbauers Aquarellen an innerster Wahrheit des Landschaftscharakters, der geologischen Gliederung und persönlicher Stimmung, an Lichtklarheit und Duftigkeit der Farbe gleichkommt", wird der Kunsthistoriker Paul Ferdinand Schmidt im Katalog des Museums zitiert. Auch habe Wagenbauer über den Zweck des Schilderns niemals die Be- obachtung feiner Nuancen vergessen und zugleich das Ganze zu anschaulicher Bildhaftigkeit abgerundet. Darin sei seine eigenständige Landschaftsauffassung begründet.

Deshalb ist Grafing stolz auf diesen Sohn - obwohl er nur seine Kindheit in dem Ort verbracht und ihn zeichnerisch nie verewigt hat. Mit acht Jahren wurde Wagenbauer zugunsten höherer Bildung in die Landeshauptstadt geschickt. München blieb zeitlebens Mittelpunkt seiner Unternehmungen. Doch an einem Gedanken können sich die Grafinger Wagenbauer-Fans aufrichten: Die Intensität, mit der er seine Motive durchdrang - und damit die Bedeutsamkeit seines Werkes - wäre ohne die frühen Eindrücke aus der ländlichen Umgebung nicht denkbar gewesen.

Anfahrt: Grafing im Landkreis Ebersberg hat zwei S-Bahn-Haltestellen an der Linie S5.

Museum: Das Museum der Stadt Grafing befindet sich in der Bahnhofstraße 10. Die Öffnungszeiten sind sonntags von 14 bis 16 Uhr und donnerstags von 18 bis 20 Uhr. Unter der Büronummer 0 80 92/321 05 oder per E-Mail an museumgrafing@web.de können mit Rotraut Acker jedoch auch Sonderöffnungen oder -führungen vereinbart werden. Das Büro ist täglich von 9 bis 12 Uhr besetzt. Der Eintritt ist frei, Spenden an den Förderverein des Museums sind jedoch immer willkommen. Gruppenführungen kosten einen Euro pro Erwachsenen und Klassenführungen 0,50 Euro pro Schüler.

Tipp: Das Schloss Elkofen, im Ort Unterelkofen südlich von Grafing gelegen, ist eine der am besten erhaltenen Burgen Oberbayerns. Es wurde vermutlich im 13. Jahrhundert erbaut und ist in seiner Erscheinung spätgotisch, wurde aber ständig erweitert. Die im Jahre 1516 erbaute Schlosskapelle wurde 1720 barockisiert. Ihr spätgotischer Flügelaltar mit Schnitzfiguren, die der Werkstatt des Meisters von Rabenden zugeschrieben werden, ist heute im Bayerischen Nationalmuseum in München verwahrt. Die Burg liegt so versteckt, dass sie im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden übersehen wurde, die 1632 durch dieses Gebiet zogen.

Auflug: Das Schloss Elkofen ist auch zu Fuß erreichbar: Ein etwa fünf Kilometer langer Rundwanderweg geht vom südlichen Ortsrand Grafings auf Höhe der Villa Katharina in der Schlossstraße aus und führt am Schloss vorbei.

Weitere Ausflugstipps für Museen rund um München gibt es in dem Buch "Schätze von nebenan. Museumspaziergänge rund um München".

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