Münchner Zoodirektor zum Fall Marius:"Wir würden niemals eine Giraffe schlachten"

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Getötet und zu Lehrzwecken benutzt: Der Fall des anderthalb Jahre alten Giraffenbullen Marius löste weltweit entsetzen aus. (Foto: AFP)

Hätte Marius gerettet werden können? Diese Frage stellen Tierschützer und Politiker nach der Tötung des 18 Monate alten Giraffenbullen in Kopenhagen. Eine unnötige Tat, findet der Münchner Zoodirektor.

Von Birgit Lotze

Wäre die Giraffe Marius im Tierpark Hellabrunn zur Welt gekommen, würde sie vermutlich noch leben. "Für uns ist so etwas undenkbar", sagt Zoodirektor Andreas Knieriem zu dem Fall im Kopenhagener Zoo. Dort war am Sonntag ein erst eineinhalbjähriger und völlig gesunder Bulle getötet worden, angeblich, um Inzucht zu vermeiden. Dann war der Kadaver vor den Besuchern - darunter Kinder - gehäutet und den Löwen verfüttert worden. Der Fall hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Selbst der Münchner Zoodirektor ist "baff und ein bisschen sprachlos" über das Vorgehen seines Kopenhagener Kollegen - auch wenn er ihn als hervorragenden und kollegialen Wissenschaftler sehr schätze. "Wir würden niemals eine Giraffe schlachten und sie dann auch noch öffentlich verfüttern", sagt Knieriem. Der Münchner Zoo versuche, die Population gezielt zu steuern, bringe überzählige Tiere an anderen Zoos unter. Es sei auch gang und gäbe, Giraffen an Tierparks weiterzugeben, gerade wegen der Inzuchtgefahr. So sei die jüngste in München geborene Giraffin vor ihrer Geschlechtsreife abgegeben worden, der kürzlich geborene Bulle werde in Hellabrunn bleiben.

Kopenhagener Zoo
:Empörung über Tötung von Giraffe Marius

Marius war erst anderthalb Jahre alt, als seinem Leben durch einen Bolzenschuss ein Ende gesetzt wurde. Die Tötung des vollkommen gesunden Giraffenkalbs und seine anschließende Verfütterung hat international für Aufregung gesorgt. Die Zooleitung beteuert, es habe keine Alternative gegeben.

Das Vorgehen seines Kopenhagener Kollegen Bengt Holst will Knieriem nicht kommentieren, er wisse nicht im Detail, wie dieser zu der Entscheidung kam. Holst habe durchaus bewusst so gehandelt, vermutet der Münchner Zoodirektor. Die Tierschutzgesetzgebung sei in den Ländern unterschiedlich; der Bildungsauftrag eines Tierparks werde in Kopenhagen anders verstanden. In Deutschland löse die öffentliche Zerteilung des Tieres Befremden aus; in Dänemark und auch in anderen nordischen Ländern gehe man mit Tiertötungen freizügiger um, schon seit vielen Jahren, sagt Knieriem. In München will man den Besuchern in erster Linie Freude bereiten, die Natur simulieren, Menschen für Tiere begeistern und aufklären. "Ich gehe für den Naturkundeunterricht ja nicht ins Leichenschauhaus", so gibt Knieriem die Haltung wieder.

Doch auch im Tierpark Hellabrunn werden Tiere getötet und Raubtieren zum Fressen vorgeworfen, allerdings nicht vor den Augen der Öffentlichkeit. Hier trifft es nicht exotische Tiere, sondern Ziegen und Meerschweinchen, meist aus dem Streichelzoo. Sie werden den Raubtieren in Stücken serviert. "Es gibt keine Ganzkörperverfütterung bei uns", erläutert Pressesprecherin Verena Wiemann. "Wir wollen keine Show aus den Fütterungen machen. Auch nicht zu Bildungszwecken." Wie viele Kleintiere geschlachtet werden, darüber variieren die Angaben. In Hellabrunn heißt es, es würden "nur vereinzelt" zooeigene Tiere verfüttert. Direktor Andreas Knieriem spricht davon, dass der Tierpark etwa 90 bis 95 Prozent seines Fleischbedarfs über den Handel bezieht, meist Kaninchen und Rinder.

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Die CSU-Fraktion im Stadtrat hat am Montagabend mit einer Anfrage an den Tierpark reagiert. Tierschützerin Evelyn Menges, die selbst im Aufsichtsrat des Tierparks Hellabrunn sitzt, will wissen, ob der Münchner Zoo eine Anfrage aus Kopenhagen erhalten hat, Marius aufzunehmen. Und ob Hellabrunn davon gewusst habe, dass die Giraffe getötet wird, sofern sie keinen anderen Platz findet. Andreas Knieriem verneint dies. Er muss jetzt auch noch andere Fragen der CSU beantworten: Etwa ob Hellabrunn etwas hätte tun können, um das Leben der Giraffe zu retten.

Unterdessen verteidigte Zoodirektor Bengt Holst die umstrittene Schlachtung. Weder eine Weitergabe an einen anderen Zoo noch ein Verkauf noch eine Auswilderung seien in Frage gekommen. Nur aus englischen Zoos habe es Interesse gegeben, doch diese Giraffen seien Marius genetisch zu ähnlich gewesen.

Das Kaufangebot eines Privatmanns sei nicht in Frage gekommen. Eine Giraffe sei schließlich kein Haustier. Auch eine Kastration sei keine Option gewesen - Marius hätte dann einem "genetisch wichtigeren Tier" den Platz im Zoo weggenommen. Auch das öffentliche Zerteilen der Giraffe verteidigte der Zoodirektor. Der Tierpark habe das nicht beworben und mache es immer so. "Wir finden es gut, wenn die Leute sehen können, wie groß zum Beispiel das Hirn einer Giraffe ist", sagte Holst. Vor allem Kinder seien interessiert, von ihnen kämen die meisten Fragen.

© SZ vom 12.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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