Süddeutsche Zeitung

Münchner Wohnungsmarkt:"Ein Top-Renner bei Kapitalanlegern"

In der ganzen Stadt fürchten zunehmend mehr Menschen wegen Modernisierungsmaßnahmen um ihre Wohnung. Volker Rastätter vom Münchner Mieterverein beschreibt die aktuelle Situation und benennt Verantwortlichkeiten

Interview von Birgit Lotze

Ein Balkon, eine neue Heizung, ein neues Bad und Wärmedämmung: Derzeit werden Wohnungen nicht nur renoviert oder instand gehalten, sondern bevorzugt gleich richtig aufgewertet. Ist die Wohnung saniert, flattern den Bewohnern in der Regel oft spürbare Mieterhöhungen ins Haus. In München müssen deshalb zunehmend mehr Mieter um ihre Wohnung fürchten. Die einen können sich nach der Modernisierung die Miete nicht mehr leisten, andere werden - umgewandelt in Eigentum lässt sich die Wohnung teuer verkaufen - regelrecht verdrängt: durch jahrelangen Baulärm, durch Heizungs- und Wasser-Ausfälle, lärmende Nachbarn. Volker Rastätter, Geschäftsführer des Münchner Mietervereins, geht von aktuell "vielen Hundert" Wohnungen aus - verteilt über ganz München.

SZ: Herr Rastätter, warum ist das Risiko, seine Wohnung zu verlieren, erheblich gestiegen?

Volker Rastätter: Seit zwei, drei Jahren steigt die Zahl der Modernisierungen. Das hat natürlich damit zu tun, dass der Druck auf den Mietwohnungsmarkt so gewachsen und Wohnraum so knapp ist. Und auf der anderen Seite ist Modernisieren derzeit sehr lukrativ. Der Münchner Mieterverein betreut derzeit Mieter in 152 Häusern, deren Bewohner fürchten, eine angekündigte oder derzeit stattfindende Modernisierung nicht zu überstehen.

Was macht Modernisieren so lukrativ?

Die Rendite ist erheblich. Elf Prozent der Modernisierungskosten kann der Vermieter pro Jahr auf die Miete draufschlagen - dauerhaft. Das heißt, die Mieter zahlen letztlich die gesamte Modernisierung. Es gibt Fälle, da werden die Mieten teils verdoppelt, sogar verdreifacht. Unsere Erfahrung ist: 20 Prozent der Mieter sind dann wirklich zum Auszug gezwungen.

Der Gesetzgeber hat das ja wohl kaum so vorgesehen?

Als das Modernisierungs-Umlage-Gesetz geschaffen wurde, hat man Rücksicht auf die hohen Kosten bei einer Kreditaufnahme genommen - damals um die acht, neun Prozent. Heute sind die Zinsen jedoch gering, unter zwei Prozent. Insofern ist das ein Top-Renner bei Kapitalanlegern.

Welche Viertel sind besonders betroffen?

In der Altstadt gibt es so gut wie keine Entmietung mehr, da ist alles abgegrast. Immer noch vor allem betroffen sind Schwabing, Haidhausen, die Gegend um den Gärtnerplatz. Doch die Tendenz zeigt: Das gesamte Gebiet zwischen Altstadt und Mittlerem Ring ist angesagt. Und ich rechne stark damit, dass die Investoren sich in einigen Jahren auch der Bereiche außerhalb des Mittleren Rings annehmen werden.

Es gibt einen Investor, dessen Name häufig fällt in Entmietungsobjekt-Fällen. Er hat in viele Wohnanlagen investiert, oft in den Vierteln, die Sie eben genannt haben. Meist werden sie nach und nach zu Eigentumswohnungen umgebaut . . .

Wenn Rainer Beck und seine Firma "Haus von Beck" eine Wohnanlage kaufen, dann wird sie im Laufe einiger Jahre komplett entmietet. Solange man selbst nicht kauft, muss man gehen. Durch immer neue Baustellen, durch den Einzug von Bauarbeitern, durch Mieterhöhungen wird immer mehr Druck auf die Mieter aufgebaut, so lange, bis der letzte Mieter geht.

Und was tut der Münchner Mieterverein dagegen?

Nach der geltenden Rechtslage können wir Modernisierungen nicht verhindern. Wir können aber in vielen Fällen eine höhere Abfindung und eine Mietminderung während der Bauzeit erreichen. Wir können oft auch geringere Mieterhöhungen durchsetzen.

Welcher Investor sorgt derzeit in München für die meisten Modernisierungen?

Die GBW, früher eine Wohnbaugesellschaft des Freistaates Bayern, die 2013 privatisiert wurde. Damals hat der bayerische Finanzminister Markus Söder entschieden, den gesamten Wohnungsbestand der Bayerischen Landesbank nicht dem Land oder den Kommunen, sondern dem Wohnungsbauunternehmen Patrizia als dem Meistbietenden zu überlassen. Jetzt ist die GBW in München die größte Investorengruppe, die konsequent modernisiert und Mietern das Leben schwer macht. Sie hat allein in München 8000 Wohnungen.

Wie geht die GBW in der Regel vor?

Die ehemaligen Wohnungen der Landesbank sind meist auf Grundstücken, die nicht sehr dicht bebaut sind. Das ändert sie. Da werden Neubauten in die Anlagen gesetzt, zwischen die Häuser und mitten in den Hof. Der Altbestand wird modernisiert, wodurch die Mieten weit über den Mietspiegel erhöht werden.

Der Mieter kann dabei nicht mal auf den Mietspiegel verweisen?

Nein. Hat er beispielsweise für elf Euro je Quadratmeter gemietet, und die Modernisierung wird mit vier Euro umgelegt, dann ergibt sich eine Miete von 15 Euro - auch wenn der Mietspiegel bei zwölf Euro liegt. Diese Summe fließt dann auch in den nächsten Mietspiegel bei der Berechnung der sogenannten ortsüblichen Miete ein. So setzt die Modernisierung eine Spirale nach oben in Gang. Sie ist Preistreiber.

Die Stadt München ist zwar gegen Hochhäuser, aber sie lässt die hohe Verdichtung in Hof und Garten zu?

Diese Verdichtung sehen wir als besonders schwierig an. Es gibt Anlagen, in denen sich die Wohnungszahl verdoppelt. Doch auf diese Art und Weise - mit Modernisierung, Neubau und Aufstocken des Altbaus um Dachgeschosse - wird kein bezahlbarer Wohnraum geschaffen, nicht für Gering- und nicht für Normalverdiener. Eine Familie kann sich kaum eine Hundert-Quadratmeter-Wohnung für 1800 Euro warm oder noch mehr leisten. Bei den modernisierten Wohnungen werden die Mieten drastisch erhöht, die neu gebauten sind von vornherein unbezahlbar - und meist Eigentumswohnungen.

Was könnte die Landeshauptstadt denn dagegen tun?

Die Stadt sollte auch bei Neubaugebieten privaten Investoren auferlegen, dass sie 30 Prozent geförderte Wohnungen bauen müssen. Bei der Nachverdichtung geht das rechtlich nicht - dafür müsste man das Baugesetz ändern.

Hört ein Mieter, dass das Wohnhaus verkauft werden soll, hofft er meist, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht in Anspruch nimmt und das Gebäude nicht an einen Investor fällt. Zumindest in Erhaltungssatzungsgebieten hat die Stadt ja diese Möglichkeit. Welche Erfahrungen gibt es damit?

Das Problem ist: Die Stadt muss das Haus zu dem Preis kaufen, den der Investor bezahlt hätte. Das ist sehr teuer. Wenn sie in einem Neubaugebiet baut, kann sie mit dem Geld zusätzliche Wohnungen schaffen - in der Regel weit mehr, als sie über einen Vorkauf retten kann. Die Stadt nutzt das Vorkaufsrecht immer mal wieder, aber eben nur begrenzt.

Noch ein Versuch: Es gibt eine Mietpreisbremse. . .

Die Mietpreisbremse wirkt in München nicht. Für Neubau und Modernisierungen gilt sie eh nicht. Auch sonst nimmt niemand das Recht in Anspruch, wir hatten bislang drei Fälle. Niemand will, wenn er endlich eine Wohnung gefunden hat, gleich Ärger mit dem Vermieter anfangen. Die meisten sind doch froh, dass sie überhaupt etwas gefunden haben.

Was für ein Gesetz könnte denn wirken?

Was wir in punkto Modernisierung dringend brauchen, ist die zweite Tranche der Mietrechtsreform. Die sieht vor, dass weniger Modernisierungskosten auf die Mieter umgelegt werden können.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2016
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