Die SPD will mit einem Wechsel ihres Führungspersonals die Krise des städtischen Unternehmens Münchner Wohnen beenden. Oberbürgermeister Dieter Reiter soll die Kontrolle des schlingernden kommunalen Wohnungskonzerns übernehmen und dafür knapp ein Jahr vor der Kommunalwahl an die Spitze des Aufsichtsrats rücken. Bürgermeisterin Verena Dietl machte am Freitagvormittag den Weg für diese Rochade frei. Die bisherige Chefin des Aufsichtsrats erklärte schriftlich, ihr Amt zur Verfügung zu stellen.
„Ich werde dem Stadtrat und dem Aufsichtsrat vorschlagen, dass ich den Aufsichtsratsvorsitz baldmöglichst übernehme“, ließ sich Oberbürgermeister Reiter in einer Mitteilung zitieren. Sobald ihn der Stadtrat bestätigt habe, werde er sich mit den Mitgliedern des Kontrollgremiums inklusive des Betriebsrats austauschen.
Dabei wird es umgehend um das Top-Management der Münchner Wohnen gehen müssen. Zwei der drei Geschäftsführer-Posten an der Konzernspitze sind derzeit vakant. Er werde sich „bei der Auswahl der neuen Geschäftsführung aktiv einbringen“, kündigte Reiter an. Er stellte aber auch klar, dass er die Wende nicht alleine schaffen kann. „Es muss uns gemeinsam gelingen, die Münchner Wohnen wieder auf Kurs zu bringen – im Sinne der Mieterinnen und Mieter und im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens.“
Das hatte die SPD ihrer Bürgermeisterin Dietl offenbar nicht mehr zugetraut. Sowohl Reiter als auch die SPD-Fraktion würdigten aber ihren großen persönlichen Einsatz in den vergangenen fünf Jahren. Nach der Kommunalwahl 2020 hatte sie die Spitze der Aufsichtsräte der damaligen Wohnungsunternehmen GWG und Gewofag übernommen und seither die Fusion zur Münchner Wohnen begleitet und gesteuert. Diese hat Anfang 2024 ihre Arbeit aufgenommen und ist mit einem Bestand von etwa 70 000 Wohnungen einer der größten öffentlichen Wohnungskonzerne in Deutschland.
„Die ersten Ergebnisse des Zusammenwachsens der Bereiche zeigen bereits positive Entwicklungen, und ich bin überzeugt, dass sich der Mehrwert der Fusion in den kommenden Jahren weiter bemerkbar machen wird“, schrieb Dietl. Der Prozess der Zusammenführung sei aber nicht einfach gewesen.
Dietl war es in den vergangenen beiden Jahren nicht gelungen, eine stabile Konzernspitze aufzubauen. Erst vor gut einem Monat hat die kommissarische Chefin der Münchner Wohnen, Doris Zoller, hingeworfen – mit der Folge, dass die Geschäftsführung, die eigentlich dreiköpfig sein soll, derzeit nur aus dem früheren SPD-Stadtrat Christian Müller besteht. Ein weiterer Posten ist schon seit Gründung des Unternehmens vakant, weil zwei Unternehmenschefs vorzeitig ausgeschieden waren: Klaus-Michael Dengler wurde nach einer Affäre um heimliche Sprachgutachten im März 2023 hinausgeworfen. Sein Nachfolger Andreas Lehner gab im Herbst 2023 nach nur einem Monat auf.
Zudem steht die Münchner Wohnen häufig öffentlich in der Kritik. Mal geht es um die geringe Zahle der Neubauten, mal um auffällig hohe Nebenkostenabrechnungen, mal um unzufriedene Mieterinnen und Mieter, mal um leerstehende Wohnungen. „Viele Angriffe gegen die Münchner Wohnen haben sich auch gegen mich persönlich gerichtet, waren politisch motiviert“, erklärt Dietl. „Das wird weder den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch den zufriedenen Mieterinnen und Mietern (...) gerecht.“ Dabei bezieht sie sich auf eine im März 2025 veröffentlichte Umfrage, derzufolge die Mieterzufriedenheit bei etwa 90 Prozent liegt.


Nun soll OB Reiter den Aufsichtsrat wieder übernehmen, den er bereits vor Dietls Ära bis 2020 geleitet hat. Den Vorsitz des für die Münchner Wohnen zuständigen Planungsausschusses im Stadtrat hatte er ohnehin behalten. Die Bündelung des Wohnungsthemas sei in politisch schwierigen Zeiten ein Vorteil, sagte Dietl. Als Oberbürgermeister habe Reiter „den direkten Draht zu Bundes- und Landespolitik“, was angesichts von Geldnöten und fehlenden Fördermitteln im Wohnungsbau „enorm wichtig“ sei.
In der grün-roten Koalition war der parteiinterne Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats nicht abgestimmt. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Grünen-Stadtrat Christian Smolka zeigte sich am Freitag „völlig überrascht von der Entscheidung, ich stehe perplex da“. Zugleich würdigte er, „dass die Zusammenarbeit mit Verena Dietl immer kollegial war“.
Oppositionsführer Manuel Pretzl (CSU) zeigte sich vom Zeitpunkt überrascht. OB Reiter sieht er nun in der Pflicht, umgehend den sozialen Wohnungsbau in der Stadt zu beleben. „Die Stadt hinkt sämtlichen Zielzahlen beim Wohnungsbau meilenweit hinterher, so darf es nicht weitergehen. Daran werden wir den Oberbürgermeister messen.“

Meinung Verena Dietls Rückzug bei der Münchner Wohnen:Die SPD kann sich diese ständigen Negativ-Schlagzeilen nicht leisten
Die FDP hält den Wechsel für richtig, doch hätte aus ihrer Sicht der OB den Aufsichtsrat 2020 nicht abgeben dürfen. „Verena Dietl hat den Posten zu einem Zeitpunkt übernommen, zu dem das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Wir danken ihr ausdrücklich für die geleistete Arbeit“, sagte der Fraktionsvorsitzende Jörg Hoffmann. Der OB hätte sich „bereits vorher aus der Deckung wagen müssen und sich nicht zuvor vor der Verantwortung drücken dürfen“.
Für die Linke ist der Neuanfang mit der Demission von Dietl nur ein halber, solange Geschäftsführer Müller im Amt bleibt. „Die Sozialbürgermeisterin zieht jetzt Konsequenzen bei der Münchner Wohnen. Aber es darf nicht bei der politischen Ebene enden: Die Geschäftsführung trägt die Verantwortung für das Missmanagement“, sagte Fraktionschef Stefan Jagel. „Auch dort erwarte ich klare personelle Veränderungen.“
Aus dem Aufsichtsrat war am Freitag zudem leichtes Grummeln zu vernehmen, dass die Verkündung von Dietls Rückzug zu einem ungünstigen Zeitpunkt erfolgt sei. Schließlich liefen noch die Ausschreibungen für die zwei vakanten Posten in der Geschäftsführung. Dass es nun nach all der Unruhe der vergangenen Jahre auch noch einen Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats gebe, könne mögliche Kandidatinnen oder Kandidaten abschrecken. Die Bewerbungsfrist endet am 9. Mai.