Die Spielzeit 2024/25 am Münchner Volkstheater:Spannende Pläne bei angespannter Finanzlage

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Christian Stückl zeigte sich kämpferisch bei der Spielplan-Präsentation. Dem Volkstheater drohen Kürzungen in Höhe von 2,9 Millionen Euro. (Foto: Gabriela Neeb)

Volkstheater-Intendant Christian Stückl warnt eindringlich vor den hohen Einsparungen, die der Kultur bevorstehen – und stellt einen Spielplan mit 13 Premieren vor, die die Rolle des Theaters für Demokratie und Gesellschaft untermauert.

Von Yvonne Poppek

Christian Stückl redet gerne frei. Selten hat er einen Zettel in der Hand und meistens nimmt er kein Blatt vor den Mund, auch wenn er dabei nicht ungerecht oder unverschämt wird. Am Freitagvormittag ist es diesmal anders, zumindest was den Zettel betrifft. Der Intendant des Münchner Volkstheaters hat diesen sogar fein säuberlich ausgedruckt und in einen Aufsteller geschoben. Darauf ist zu lesen, was Stückl sichtlich bewegt: die Einsparungen, mit denen das Volkstheater im Jahr 2025 möglicherweise zu rechnen hat, nämlich 2,9 Millionen Euro.

„Jetzt plötzlich passiert etwas und es passiert der ganzen Kultur“, sagt Stückl. Alle würden sie gezwungen, überproportional viel zu sparen, das betreffe unter anderem die freie Szene, die Kammerspiele und eben auch das Volkstheater, für das er sprechen könne. Mit rund 18 Millionen Euro habe die Stadt das immer noch neue Haus in der Tumblingerstraße bezuschusst. 1,2 Millionen Euro, die die Tariferhöhung ausmache, würden nun 2025 wohl nicht übernommen. Zudem stehe die Zahl im Raum, dass weitere 1,7 Millionen Euro Kürzungen dazukommen. Zwar gebe es noch Rücklagen, aber die seien in spätestens zwei Jahren aufgebraucht. „Im Augenblick wird nur abgezogen, aber ich habe keine Perspektive“, sagt Stückl. Langfristig bedeute dies eine totale Umstrukturierung, irgendwann müsse man dann Leute entlassen.

Der Intendant ringt bei diesen Zahlen sichtlich mit der Fassung. Das Volkstheater ist ein Ausbildungsbetrieb, rechnet man in Vollzeitstellen gibt es davon rund 180. Mit dem Zuschuss der Stadt versuche er, die Personal- und die Gebäudekosten zu decken, die „Kunst“ werde erwirtschaftet. So aber gebe es die angestrebte Deckung nicht. Um allein die Tariferhöhung auszugleichen, müsste man beispielsweise jede Karte – auch die Schülerkarten – um 20,50 Euro erhöhen, sagt er. Stückl muss ein solches Gedankenspiel am Freitag gar nicht weiter kommentieren. In einer ohnehin teuren Stadt wie München ist die Konsequenz daraus nur allzu ersichtlich: Theater würde exklusiv, würde einkommensschwächere Menschen ausschließen. Sollte das wirklich das Ziel der Münchner Kulturpolitik sein?

Beim Kulturempfang im Juli hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter die wichtige Rolle der Kultur bei der Verteidigung der Demokratie, im Kampf gegen Rechts noch betont. Mit einer finanziellen Minderausstattung wird es immer schwerer, diese Rolle zu erfüllen. Noch allerdings ist eine letzte Entscheidung nicht gefallen, die Beratungen zum Haushalt 2025 laufen noch. Der Kulturausschuss bespricht sich wohl nicht-öffentlich in der kommenden Woche.

Thema sollte eigentlich die neue Spielzeit sein

Dass Christian Stückl seiner Entrüstung über die Situation atemlos Platz gibt, ist am Freitag übrigens nicht nur wegen des Zettels ungewöhnlich. Auch der Anlass war grundsätzlich für ein anderes Thema vorgesehen: für die Vorstellung der kommenden Spielzeit. Und die gibt es an diesem Vormittag natürlich auch. Aus ihr wird sofort ersichtlich, wie intensiv und ernst, trotzdem lustvoll und schöpferisch das Volkstheater-Team sich an die Verteidigung der Demokratie macht. Unter anderem natürlich.

Die Eröffnung übernimmt wie schon im vergangenen Jahr eine Inszenierung von Lucia Bihler, einer bild- und konzeptstarken Regisseurin. Sie inszeniert „The Lobster“ nach dem Film von Yorgos Lanthimos und Efthimis Filippou, die Premiere ist am 26. September. „The Lobster“ erzählt von einem System, in dem Singles in einem Hotel eingesperrt werden, um in kurzer Zeit einen Partner zu finden. Misslingt das, werden sie in ein Tier verwandelt. Der Protagonist bricht aus – um prompt in ein anderes System zu stolpern. Schon mit dieser Eröffnungspremiere bewegt sich das Volkstheater auf gesellschaftspolitisch aktuellem, spannendem Terrain.

13 Premieren wird es in dieser Saison geben

Dieses Gebiet wird das Haus die ganze Spielzeit über nicht verlassen, auch wenn die Formen der 13 Premieren und des zusätzlichen Programms aus satirischen Polit-Talks, Konzerten, Lesungen jeweils unterschiedlich sind. So inszeniert Intendant Stückl „Lichtspiel“ nach dem Roman von Daniel Kehlmann (Premiere: 24.10.). Darin geht es um den österreichischen Filmregisseur G. W. Pabst, der 1933 zunächst in die USA emigrierte, dann jedoch nach Österreich zurückkehrte und unter den Nazis weiter Filme drehte.

Unter anderem wird Hausregisseur Philipp Arnold Arna Aleys Gegenwartsbeobachtung „Unsterblichkeit oder: Die letzten sieben Worte der Emilia Galotti“ zur Uraufführung bringen, John Steinbecks gesellschaftskritischer Roman „Früchte des Zorns“ kommt auf die Bühne, ebenso die sich mit Herrschaft und Systemen befassenden Stücke „Caligula“ von Albert Camus und „Die Nashörner“ von Eugène Ionesco. Und auch die Münchner Theatermacherin Christine Umpfenbach wird ihr neues, dokumentarisches Stück zum Attentat im OEZ am 22. Juli 2016 im Volkstheater inszenieren.

Zudem wird die kleine „Bühne 3“ diese Saison als Experimentierfeld genutzt und erstmals gibt es auch ein Tanztheaterstück. Die Spannung und Vorfreude auf diese Spielzeit darf groß sein – und hoffentlich finanziell unbelastet.

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