Er war einer der Großen des Kinos: Georg Wilhelm Pabst. Er drehte unter anderem in den Zwanzigerjahren die Stummfilme „Die freudlose Gasse“ mit Greta Garbo, „Die Büchse der Pandora“ und das „Tagebuch einer Verlorenen“ mit Louise Brooks. Sein erster Tonfilm 1930 „Westfront 1918“ verfestigte seinen Ruf als der „rote Pabst“. Rechtzeitig emigrierte der Regisseur 1933 mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten – und kehrte nach einem unglücklichen Versuch, in Hollywood Fuß zu fassen, 1939 nach Österreich zurück. Drei Filme drehte er unter dem Regime der Nazis, kurzzeitig arbeitete er mit Leni Riefenstahl zusammen. Wie konnte das geschehen?
Daniel Kehlmann hat 2023 seinen Roman „Lichtspiel“ veröffentlicht, in dessen Zentrum G.W. Pabst steht. Es ist keine Biografie, sondern ein fiktionaler Text, der sich auf einige historische Fakten stützt. Es ist die Geschichte eines Künstlers, der sich für die Verwirklichung seiner Kunst mit einem verbrecherischen Regime arrangiert und sich immer weiter darin verstrickt. Kehlmanns „Lichtspiel“ reißt viele Fragen und Wunden auf. Nun wird der Roman des mehrfach ausgezeichneten Bestsellerautors erstmals für die Bühne adaptiert – und zwar im Münchner Volkstheater. Regie führt Intendant Christian Stückl, die Premiere ist am 31. Oktober.

Die Spielzeit 2024/25 am Münchner Volkstheater:Spannende Pläne bei angespannter Finanzlage
Volkstheater-Intendant Christian Stückl warnt eindringlich vor den hohen Einsparungen, die der Kultur bevorstehen – und stellt einen Spielplan mit 13 Premieren vor, die die Rolle des Theaters für Demokratie und Gesellschaft untermauert.
Glück und der Zuspruch von Daniel Kehlmann haben dazu beigetragen, dass die Uraufführung nach München komme, sagt Dramaturg Leon Frisch. Er hat den Intendanten auf den Roman als Stoff für eine Inszenierung aufmerksam gemacht. Mehrere Häuser haben sich ebenfalls dafür interessiert. Kehlmann ist gebürtiger Münchner, er kennt Stückls Arbeiten. Die beiden haben sich ausgetauscht, unter anderem auch in einem Interview im sehr lesenswerten Spielzeitheft des Volkstheaters. Bei der Umsetzung für die Bühne, sagt Kehlmann in diesem Gespräch, „halte ich mich zurück“. Und so kommt nun eine Textfassung ins Volkstheater, die Stückl für die Bühne aus dem Roman destilliert hat. Sie hat die dialogische Struktur des Dramas, kommt ohne Erzählpassagen aus.
Vor knapp drei Jahren hat Stückl seine jüngste Romanadaption inszeniert: den Bestseller „Über Menschen“ von Juli Zeh. Sie läuft noch im Repertoire, um Karten für diese Erfolgsproduktion muss man sich in der Regel rechtzeitig bemühen. Jetzt kommt das Werk eines ebenfalls viel gelesenen Gegenwartsautors hinzu. Beide setzen sich mit Rechtsextremismus auseinander – dem „Dorfnazi“ in Ostdeutschland von heute, den Nationalsozialisten vor und im Zweiten Weltkrieg. Es ist ein Themenbereich, der Stückl ohnehin umtreibt und der in diesen Zeiten, in denen die AfD erstarkt, umso mehr in den Fokus rückt. Das spiegelt auch das Spielzeitprogramm des Volkstheaters wider.

Die Inszenierung ist „auf jeden Fall auch eine Warnung“, sagt Dramaturg Frisch. Die Theater haben die Aufgabe, Diversität darzustellen, gesellschaftliche Diskurse mitzugestalten, Sichtbarkeit zu zeigen. Zugleich habe das Ensemble die Frage sehr beschäftigt, wie weit man für die Verwirklichung der Kunst gehen würde, wie man sich gegen ein System stellt und ob? Wäre es möglich, subversiv zu wirken? Diese Fragen werden sie wohl auch auf die Bühne transportieren.
Bei der Textfassung „sind wir sehr klar am Roman geblieben“, sagt Frisch. Die Inszenierung beginne in einer Art Filmarchiv, darin tauchen die Figuren der Erinnerung auf – und mit ihnen geht es zurück in die Zeit der NS-Diktatur. Auf neun Schauspielerinnen und Schauspieler sind die 21 Rollen verteilt, viele spielen mehrere Figuren, wodurch die willkürliche Verteilung von Macht und Ohnmacht im Faschismus nur noch offensichtlicher zutage tritt. In der zentralen Rolle von G.W. Pabst ist Silas Breiding besetzt.
Im Spielzeitheft Volksmund stellt Stückl übrigens die Frage: „Welche Verantwortung hat man als Mensch in einer Gesellschaft, die ins Extreme abdriftet?“ Es ist eine große Frage, die auch in „Lichtspiel“ zentral ist. Welche Verantwortung in einer solchen Gesellschaft ein Theater hat, beantwortet Christian Stückl unter anderem damit, dass es diese Inszenierung gibt.
„Lichtspiel“ nach dem Roman von Daniel Kehlmann, Uraufführung, Premiere am Donnerstag, 31. Oktober, 19.30 Uhr, Münchner Volkstheater

