Münchner Taxifahrer unzufrieden:Letzte Hoffnung Oliver Neuville

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Das WM-Geschäft läuft flau, vor der Arena gibt es Staus: Die Münchner Taxler setzen nun auf den Erfolg der deutschen Elf.

Ingo Salmen

Wann immer Münchner Taxler einen Fahrgast aufnehmen, geben sie sich freundlich oder allenfalls etwas schnoddrig, ein Schuss Originalität gehört eben dazu.

Wenn die Taxler aber keinen Passagier an Bord haben - und das ist in diesen Tagen häufig der Fall -, legen sie ihre Höflichkeit auch schon mal ab und granteln munter drauflos. Momentan tun sie das besonders gern und führen dabei alle ein Wort im Munde: beschissen.

Das WM-Geschäft, darin sind sie sich einig, ist keines fürs Fuhrgewerbe. "Ein Flop", raunt eine einsilbige Fahrerin durchs geöffnete Fenster. "Beschissen" sei es und "schlechter als normal", klagt Ludwig Hirsch.

"Halbe Umsätze" verzeichnet Fritz Hammerla. "Sonst mache ich 120, heute 60 Euro die Nacht." Und überdies sei die Verkehrsführung an der Fröttmaninger Arena "nicht besonders gut gelöst", formuliert Michael Ruisinger doch noch ein wenig diplomatisch.

Zu viele Taxis für zu wenig Kunden

Hans Meißner sprudelt geradezu los, wenn man sich bei ihm nach dem Befinden der Taxler erkundigt. Meißner ist ihr oberster Chef, Vorstand der Taxi-Genossenschaft. "Wir haben derzeit ein 80-Prozent-Geschäft", sagt er.

An Spieltagen in München sei es "ganz lustig". Insbesondere der Eröffnungstag war sehr einträglich: "Da ging's richtig rund, wie zwei Mal Silvester", schätzt Meißner. "Dazwischen aber ist nichts." Es fehlten nicht zuletzt die Geschäftsreisenden, die während des Turniers die WM-Stadt meiden würden, fährt der Taxi-Boss fort.

Die Anfang Juni eingeführte Erhöhung der Fahrpreise um fünf bis zehn Prozent decke bloß den Kostenanstieg der letzten Jahre, könne aber den Rückgang der Fahrgastzahlen nicht aufwiegen.

Indes ist das Problem zum Teil auch hausgemacht. Fast 3400 Taxis gibt es derzeit in München. Das sind zwar nicht mehr als vor der WM, jedoch haben die Unternehmer in Erwartung des großen Geschäfts ihre Schichtpläne aufgefüllt und lassen die Droschken jetzt rund um die Uhr durch die Stadt kurven.

Normalerweise seien 8000 Fahrer unterwegs, erläutert Meißner, jetzt seien es gut 10.000, 25 Prozent mehr. "Der Kuchen ist kleiner geworden, die Kuchenesser haben zugenommen."

Das Fanfest im Olympiapark und die Spiele in der Arena bringen den Taxlern nicht besonders viel ein, schließlich bevorzugen die meisten Anhänger die U-Bahn. Und wer an der Arena doch ein Taxi für den Heimweg nehmen will, der muss mitunter lange suchen.

Die Wagen dringen gar nicht erst zum großen Taxistand Süd vor. Während des Eröffnungsspiels habe die Polizei die Werner-Heisenberg-Allee in Richtung Stadion gesperrt, berichtet Meißner. "Statt 300 haben wir nur zehn Taxen bis an die Arena gebracht."

Letzten Endes hätten Polizisten den Fahrern geholfen, unterwegs Fans aufzunehmen, was das Polizeipräsidium ursprünglich strikt untersagt hatte. Meißner: "Das ist der Witz des Jahrhunderts." Bei der zweiten Münchner Partie hätten die Taxis dann im Stau gesteckt. Meißner wüsste eine einfache Lösung: Man müsse nur eine Abzweigung, die eigentlich für Busse vorgesehen ist, als Sonderroute für die Taxler öffnen.

Es sind die Biergärten und Wirtshäuser, die die Hoffnung der Taxler auf eine gute Weltmeisterschaft erhalten. An diesem Abend stehen auch Ludwig Hirsch, Fritz Hammerla und Michael Ruisinger vor einem Biergarten, dem Augustinerkeller in der Arnulfstraße.

Es ist Dienstag, Brasilien spielt gegen Kroatien, der Wirt hat zwei Leinwände errichtet. Viele tausend Leute sitzen unter Kastanien, die meisten wegen des Wetters, nicht wegen des Fußballs. Sie richten sich nicht nach Halbzeitpause und Schlusspfiff. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Die WM läuft nebenher.

"Zwei Stunden habe ich eben am Kurfürstenplatz gestanden und bin leer weggefahren", erzählt Eckard Schiller. Er hockt hinter seinem Lenkrad, hat die Brille ins Haar geschoben, es ist bald halb zehn. Mit seinem geblümten Hemd sieht er ein bisschen nach Urlaub aus.

"Ich überlege auch gerade, ob ich nicht besser nach Hause fahre." Er tut es nicht, denn auf den Biergarten kann er sich verlassen. Binnen einer halben Stunde steigen zwei Mal Gäste zu.

Hans Meißner sieht inzwischen einen weiteren Hoffnungsschimmer. "Wenn die deutsche Mannschaft richtig weit kommt, könnte sich eine Euphorie entwickeln, dann geben die Leute Geld aus."

Vor allem der Sieg gegen Polen am Mittwoch mit dem späten Tor von Oliver Neuville und den anschließenden Partys in der Innenstadt stimmt ihn optimistisch. Ob es auch ein Sieg für die Taxler war? Meißner lacht. "In letzter Minute."

© SZ vom 17.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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