Münchner Straßennamen:Von Stachus bis Manchesterplatz

Wir leben in dieser Stadt und sind täglich mit unzähligen Straßennamen konfrontiert. Doch wer weiß schon genau, wer oder was hinter "Stachus", "Tal" oder "Oberanger" steckt? Ein kleiner Streifzug durch München.

Beate Wild

Wer sich Anfang des 19. Jahrhunderts in München zurechtfinden wollte, musste wohl oder übel die Straßennamen auswendig lernen. Eine Beschilderung gab es damals nicht. Erst ab Oktober 1801 wurde unsere Stadt mit Namensschildern versehen. 1894 wurden die Straßen dann erstmals registriert und in einer Broschüre veröffentlicht.

Münchner Straßennamen: Gärtnerplatz, Rindermarkt, Stachus, Schäfflerstraße (von links oben im Uhrzeigersinn): Hinter den Münchner Straßennamen stecken 850 Jahre Geschichte.

Gärtnerplatz, Rindermarkt, Stachus, Schäfflerstraße (von links oben im Uhrzeigersinn): Hinter den Münchner Straßennamen stecken 850 Jahre Geschichte.

(Foto: Foto: Hess, Wild, Heddergott, ddp)

Aus den rund 800 Münchner Straßen und Plätzen jener Zeit sind inzwischen über 6000 geworden. Jahr für Jahr kommen gut 20 neue Benennungen dazu, da die Stadt wächst und wächst und wächst. So wurde beispielsweise im vergangenen Jahr eine Straße in Aubing Toni-Berger-Straße genannt, nach dem im Januar 2005 verstorbenen Volksschauspieler. Bereits 2004 beschloss der Stadtrat den Rainer-Werner-Fassbinder-Platz. Damit hat nun auch der 1982 verstorbene Kultregisseur seinen Namen in der Stadt verewigt.

Händler, reiche Bürger und Regenten

Gerade im Bereich der Innenstadt stammen viele der Straßenbezeichnungen noch aus dem Mittelalter. Sie waren abgestellt aus topografische Gegebenheiten und Auffälligkeiten. So ist etwa das Tal benannt nach seiner tieferen Lage. Der Name stammt vermutlich aus dem Jahr 1253. Das Tal war damals die breiteste und verkehrsreichste Straße Altmünchens, die zur Isar führte.

Fast genauso alt (um 1300) ist der Oberanger. Anger ist die ehemalige Flurbezeichnung für die Felder jenseits der südlichen Stadtmauer. Auch von der Nutzung der Plätze leiten sich viele Namen her. So wurden am Rindermarkt damals mit Vieh gehandelt. Rindermarkt ist übrigens der älteste überlieferte und noch erhaltene Münchner Straßenname (um 1242).

Die Weinstraße (seit etwa 1353) wurde vermutlich nach den seit dem 14. Jahrhundert hier ansässigen Weinhändlern benannt. Sie erinnert daran, dass der Marienplatz über Jahrhunderte hinweg der größte Weinumschlagplatz - ja, richtig: Wein, nicht Bier! - Süddeutschlands war.

Dass zahlreiche Straßen danach benannt wurden, wohin sie führen, versteht sich von selbst. Die Sendlinger Straße (1318) führte nach Sendling, dem ersten Ort, den man außerhalb der Stadt erreichte, wenn man der Straße folgte. Erst 1877 wurde Sendling nach München eingemeindet.

Die Schäfflerstraße (1388) und die Ledererstraße (1381) sind Beispiele dafür, dass Gassen oft wegen der dort ansässigen Gewerbebetriebe ihre Bezeichnungen erhielten. Die Schäffler fertigten im Mittelalter Holzfässer, die Lederer Gürtel, Pfeilköcher, Schuhwerk und Lederrüstungen. Heute grenzt an die Schäfflerstraße die Luxus-Einkaufspassage "Schäfflerhof". In der Ledererstraße, die sich um die Ecke vom Hofbräuhaus befindet, haben sich verschiedene Läden, ein Striplokal, ein Friseur und ein angesagtes Café angesiedelt.

Manche Straßen heißen wie die Namen der Familien, die dort Häuser besaßen. In der Kaufingerstraße (1316) wohnte einst der reiche Münchner Bürger Chunradus Choufringer. Heute wird sowohl die Kaufingerstraße als auch die weiterführende Neuhauser Straße im Volkmund zunehmend von der Bezeichnung Fußgängerzone verdrängt.

Eine Vielzahl von Regenten und deren Familie wurden ebenfalls in Münchens Straßennetz verewigt. Man denke nur an die Luisen-, Elisen-, Augusten-, Karl- oder Ottostraße. Ebenso der Karlsplatz (1797), der nach Kurfürst Karl Theodor benannt wurde und von den Münchner als Stachus bezeichnet wird. Der Spitzname geht seit 1747 auf die damalige Gastwirtschaft "Stachus-Garten" des Wirts Eustachius Föderl zurück, die an der Stelle des heutigen Kaufhofs stand.

Verdiente Künstler und Patrizierfamilien

Der Vikualienmarkt bekam erst relativ spät (um 1807) seinen Namen. Viktualien ist ein spätlateinisches Wort für Lebensmittel. Der dortige Marktplatz wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts durch den schrittweise erfolgten Abbruch aller Gebäude des Heilig-Geist-Spitals ständig erweitert. Heute hat der Viktualienmarkt das breiteste Lebensmittelangebot der Stadt und ist weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannt.

Von Stachus bis Manchesterplatz

In der angrenzenden Isarvorstadt erhielten viele Künstler, Literaten und Wissenschaftler, die den Ruhm Münchens gemehrt hatten, sozusagen als patriotische Ehrung eine Straße mit ihren Namen, teilweise schon zu Lebzeiten, was heute nicht mehr üblich ist. Mit der Klenzestraße (1830) wurde Franz Karl Leo von Klenze (1784 - 1864) geehrt. Der Hofbaumeister von Ludwig I. schuf unter anderem den Königsplatz und die Glyptothek, den Odeonsplatz, die Allerheiligen-Hofkirche und die Alte Pinakothek. Er war in München der bedeutenste Vertreter des Klassizismus.

Der gleichen Ehre zuteil wurde Friedrich von Gärtner (1792 - 1847), Hofarchitekt von König Ludwig I. von Bayern. Er schuf den nördlichen Teil der Ludwigstraße mit Staatsbibliothek, Ludwigskirche, Feldherrnhalle, Siegestor und Universität. Für seine Verdienste erhielt der Gärtnerplatz (1863) seinen Namen.

Nach Peter von Cornelius, einem klassizistisch-romantischen Maler, der die Fresken in der Alten Pinakothek und der Glyptothek schuf, wurde die Corneliusstraße (1830) benannt. Und die Utzschneiderstraße (1844) heißt nach Joseph von Utzschneider. Er war Staats- und Volkswirt und führte von 1807 bis 1814 im Finanzministerium eine Steuerreform durch.

Namen und Ereignisse der Landes- und Stadtgeschichte kommen gegen Ende des 19. Jahrhunderts bevorzugt zur Anwendung, weshalb im neuerschlossenen Westend die Münchner Patrizierfamilien erstmals eine Heimstätte fanden, obwohl sie mit diesem Gebiet rein gar nichts zu tun hatten. Seither gibt es etwa die Gollierstraße, die Kazmairstraße, die Ligsalzstraße oder die Tulbeckstraße (alle 1878).

Geschichte, Geografie und Botanik

Ende des Ersten Weltkrieges begann die Straßenbenennung nach abgetretenen deutschsprachigen Gebietsteilen oder Städten in Mode zu kommen. Es enstanden unter anderen die Danziger Straße (1923) in Schwabing, die Liegnitzer Straße (1924) in Moosach oder die Klausenburger Straße (1927) in Zamdorf. Doch der völkische Einfallsreichtum der zuständigen Sachbearbeiter reichte nicht aus, um den Bedarf an Namen zu stillen. Geschichte, Geografie und Botanik wurden im weitesten Sinne bemüht, und so war das Chaos der Straßennamen weiter auf dem Vormarsch.

Von Stachus bis Manchesterplatz

Während im Dritten Reich viele öffentliche Verkehrsflächen mit dem Namen prominenter NS-Politiker belegt wurden, war man nach 1945 um "Entnazifizierung" bemüht. Rund 200 Straßen mussten umbenannt werden.

Schlagzeilen in diesem Zusammenhang machte zuletzt die Umbenennung der Meiserstraße. Wegen antisemitischer Äußerungen des umstrittenen Landesbischofs Hans Meiser (1881-1956) soll die Straße in Katharina-von-Bora-Straße umbenannt werden. Der neue Name wurde zwar vom Stadtrat beschlossen, kann aber derzeit noch nicht umgesetzt werden, weil der Enkel des Bischofs Klage beim Verwaltungsgericht München eingereicht hat.

Müssen heute Namen vergeben werden, erarbeitet das Kommunalreferat aufgrund von Anregungen von Privatpersonen oder von Bezirksausschüssen einen Namensvorschlag. Dieser wird von mehreren Gutachtern geprüft. Erst dann geht der Vorschlag an den Kommunalausschuss des Stadtrats zur Beschlussfassung.

Einer der neuesten Namen in München ist der Manchesterplatz in Trudering. Der am 24. April 2008 so benannte Platz soll an das Flugzeugunglück vom 06. Februar 1958 an dieser Stelle erinnern, bei dem 23 Menschen starben, darunter auch acht Spieler der Fußballmannschaft von "Manchester United".

Unter der Aderesse www.vermessung.muenchen.de kann jeder Interessierte die seit 2003 ausgewiesenen Straßennamen einsehen. Sämtliche Straßenbezeichnungen Münchens sind in dem Buch "Die Münchner Straßennamen" von Hans Dollinger aufgelistet. Erschienen ist es im Südwest Verlag, München.

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