SPD:Der Mann, der die München-SPD ins Rathaus brachte

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Vor 125 Jahren zog mit dem Gastwirt Georg Birk der erste Sozialdemokrat in den Stadtrat ein. Seitdem haben viele Genossen die Geschicke der Stadt geprägt.

Von Heiner Effern

Wer wie die SPD in München über viele Jahre hinweg herrschte, erhielt in der Geschichte oftmals einen charakteristischen Beinamen. So mancher Machthaber ging als "der Bucklige", "der Fromme" oder "der Große" in die Annalen ein. Die Sozialdemokraten verliehen sich ihren Beinamen selbst: SPD, die München-Partei. Eine Gleichsetzung, die angesichts der letzten Wahldebakel vermessen erscheint. Doch der Blick zurück zeigt, dass dieser Beiname zumindest historisch seine Berechtigung hat: Am 5. Dezember 1893 zog mit Georg Birk erstmals ein Sozialdemokrat in den Stadtrat ein. In den folgenden 125 Jahren prägte die SPD München so stark wie keine andere Partei.

Fünf Oberbürgermeister stellte die SPD alleine nach dem Zweiten Weltkrieg, seit 1948 regieren Sozialdemokraten die Stadt mit nur einer sechsjährigen Ausnahme: Von 1978 bis 1984 stellte die CSU den OB. Doch Erich Kiesls skandalumwitterte Amtszeit dürfte die SPD als selbst verschuldeten Betriebsunfall verbuchen. Mit parteiinternem Streit um ihre Kandidaten hatte sie die Steilvorlage für diese Niederlage geliefert. Davor lag die Zeit des Wiederaufbaus der zerbombten Stadt und ein gewaltiger Sprung in die Moderne.

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Am 1. Juli 1948 wählten die Münchner Thomas Wimmer zum Oberbürgermeister. "Keine politische Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts hat München mehr zur Ehre gereicht als dieser bescheidene, menschliche und umsichtige Oberbürgermeister", schreibt Richard Bauer in seinem Buch "Geschichte Münchens". Wimmer gab in seiner zupackenden Art den Bürgern nach den Kriegsjahren Mut, galt als Mann, der die Sorgen aller ernst nahm. Er erhielt dafür keinen eigenen Beinamen, aber wenn das Volk ihn im Dialekt respektvoll den "Wimmer Damerl" nannte, dürfte das Anerkennung genug ausdrücken.

Wimmer baute in den zwölf Jahren seiner Amtszeit die Stadt wieder auf, vieles nach altem Vorbild. 1960 übernahm den OB-Posten dann ein Parteifreund, der mit 34 Jahren am Beginn einer bundesdeutschen Politkarriere stand. Hans-Jochen Vogel führte die Stadt in die Moderne, legte den Grundstein für das U-Bahnnetz und den öffentlichen Nahverkehr und trieb die Stadtentwicklung voran. Als Motor dienten die Olympischen Sommerspiele 1972, den Zuschlag erhielt die Stadt 1966 unter Vogel. Doch dieser eröffnete schon nicht mehr die anfangs so leichten, und durch den Terroranschlag so niedergedrückten Wettkämpfe im August 1972.

Denn gut zwei Monate vorher hatte Georg Kronawitter die Stadt von ihm als OB übernommen. Der trat mit der ihm eigenen Vehemenz für die "sogenannten kleinen Leute ein", wie die SPD-Fraktion in einem Rückblick schreibt. Drei Wahlen hat er für seine Partei gewonnen. Als sie ihn zwischendurch nicht aufstellte, ging der OB-Posten verloren. 1990 begann Kronawitter eine neue Ära der Stadtpolitik, die Zeit der rot-grünen Rathaus-Koalition. Christian Ude, der 1993 zu dessen Nachfolger wurde, setzte das Bündnis mit den Grünen bis zum Ende seiner Amtszeit 2014 fort. Bei seiner letzten Wiederwahl 2008 gaben ihm sagenhafte 66,7 Prozent der Wähler ihre Stimme.

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Drei Wahlplakate, die für 125 Jahre SPD im Münchner Rathaus stehen. Die Sozialdemokraten stritten dort für das Wahlrecht, ...

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... Demokratie...

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... und die Stellung der Frauen in der Gesellschaft.

Oberbürgermeister Dieter Reiter konnte 2014 die Ära der roten Oberbürgermeister fortsetzten. Die Stadt wirkt gerade nicht so, als ob er um seine Wiederwahl ernsthaft fürchten müsste. Doch seiner Partei droht der Beiname abhanden zu kommen. Zwei katastrophale Wahlergebnisse bei der vergangenen Bundes- und Landtagswahl erschütterten ihr Selbstverständnis. So manche Sozialdemokraten stellen sich die Frage, ob sie sich als zuletzt nur noch drittstärkste Kraft noch die München-Partei nennen dürfen. Als Erfolgsrezept für die Zukunft werden nun die Charakteristika gehandelt, mit der sie zur bestimmenden Kraft der Stadt wurde.

Der Wirt Georg Birk soll einer gewesen sein, der in seiner Gaststätte in der Baaderstraße dem Volk sehr nahe war. Der wusste, was die Münchner für die Zukunft brauchten. Frauen wie Auguste Halbmeier und Hedwig Kämpfer, die ersten Stadträtinnen Münchens, setzten sich unermüdlich für ihre Rechte ein. Zeitlebens stand die Fraktion, die erstmals 1914 die Mehrheit im Stadtrat errang, für die soziale Gerechtigkeit in der Stadt.

Dieser Markenkern muss wieder stehen, das gibt nicht nur OB Dieter Reiter als Parole aus. Er zeigt wie auch sein Fraktionschef Alexander Reissl im historischen Rückblick der Fraktion auch, wie er für die Kommunalwahl 2020 diese Tradition der SPD erweitern will. Reissl spricht sich "für einen leistungsfähigen Nahverkehr" aus. OB Reiter beschreibt sein Ideal der Stadt so: "sozial, ökologisch und bürgernah". Der Umweltschutz soll zu einem zentralen Zukunftsthema werden. Daneben wird es aber auch die Klassiker geben, die anscheinend nie vergehen. Der erste aller SPD-Stadträte, Georg Birk, soll sich damals schon für Mieterschutz und gegen Wohnungsspekulation eingesetzt haben.

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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