Münchner SPD nach der Wahl:Schmollend in die Krise

Außer der Leitfigur des Oberbürgermeisters Ude hat die Münchner SPD wenig zu bieten - und der tritt 2014 ab.

Berthold Neff

Wenn es etwas gibt, was die Münchner Sozialdemokraten trösten kann nach dieser bittersten Wahlschlappe in der Nachkriegsgeschichte, dann dies: Die nächste Stadtratswahl findet erst 2014 statt. Es bleibt der SPD also noch Zeit, um ihre Reihen auch in München neu zu ordnen. Diese Aufgabe werden die Genossen so schnell wie möglich anpacken müssen, denn die üblichen Polit-Koordinaten gelten nicht mehr.

Das Naturgesetz, wonach die CSU in Bayern mit absoluter Mehrheit zu regieren hat, gilt seit der Landtagswahl vom Vorjahr nicht mehr. Und wenn sich die SPD nicht von Grund auf erneuert und ihre Positionen in jeder Hinsicht neu definiert, wird es auch nicht mehr selbstverständlich sein, dass an Münchens Spitze ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister steht.

Zwar sagt der erst seit kurzen amtierende Münchner SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann, dass dieses "katastrophale Ergebnis" nicht auf Münchner Probleme zurückzuführen sei, und hat im Prinzip damit vielleicht sogar recht. Denn die Wähler trennen ziemlich genau zwischen den verschiedenen Ebenen. Vor zehn Jahren war das gut zu beobachten, als Europa- und OB-Wahl gleichzeitig stattfanden.

Die CSU-Anhänger wählten an jenem 13. Juni 1999 ihre Partei mit stolzen 48,4 Prozent nach Europa, speisten aber ihren OB-Bewerber Aribert Wolf mit 37,2 Prozent ab. Sie stimmten also in Scharen für den SPD-Kandidaten und Amtsinhaber Christian Ude (61,2 Prozent). Die SPD hingegen fand nur die Unterstützung von 29,1 Prozent der Wähler, rutschte also schon damals auf das Niveau der Bundestagswahl 2005.

Es wird sich auf lange Sicht nicht vermeiden lassen, dass die desaströsen SPD-Resultate von Europa-, Bundes- und Landtagswahlen auch auf die Stadtpolitik abfärben. So verschieden ist das Personal nämlich nicht, das die SPD auf diesen unterschiedlichen Ebenen aufbietet. Hans-Ulrich Pfaffmann war Stadtrat, sitzt nun im Landtag und führt den Münchner Unterbezirk.

Claudia Tausend, die im Münchner Osten nun schon zum zweiten Mal gegen Herbert Frankenhauser von der CSU verlor, ist einflussreiche SPD-Stadträtin und Pfaffmanns Stellvertreterin in der Münchner SPD-Führung. Vorausgesetzt, dass die Münchner mit der Politik der Rathaus-SPD zufrieden sind, hätte nichts dagegen gesprochen, Claudia Tausend fulminant in den Bundestag zu wählen, damit sie auch von dort segensreich für die bayerische Landeshauptstadt wirken kann.

Wie wichtig es ist, vor dem Wechsel nach Berlin etwas auf kommunaler Ebene geleistet zu haben, hat Axel Berg über lange Jahre bewiesen. Er begann als Vorsitzender im Bezirksausschuss, und die so erlangte Popularität auf lokaler Ebene beflügelte auch seine Kandidatur zum Bundestag.

Drei Mal gewann er das Direktmandat, bis auch er an diesem Sonntag dem Negativtrend der SPD nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Berg, der in seiner Jugend als Skifahrer zum Leistungskader der deutschen Nationalmannschaft zählte, war am späten Sonntagabend fair genug, die Schuld an der Niederlage nicht bei anderen zu suchen.

Hätte es die Kandidaten entscheidend vorangebracht, wäre ihnen Christian Ude hilfreich zur Seite gesprungen? Ein paar zusätzliche Prozentpunkte wären sicher drin gewesen. Gerade Christian Ude, der sich aus seiner Zeit als Präsident des Deutschen Städtetags auf der Bundesbühne leidlich auskennt, hätte den Münchnern öfter und eindringlicher ausmalen müssen, was ihnen und der Stadt durch eine schwarz-gelbe Regierung möglicherweise droht - zum Beispiel die Abschaffung der Gewerbesteuer, der wichtigsten Finanzierungsquelle der Kommunen.

Anders als 2005, als Ude noch auf Mykonos weilte, während der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder auf dem Marienplatz entscheidend zu punkten suchte, war der Oberbürgermeister immerhin zugegen, als diesmal Frank-Walter Steinmeier hier antrat.

Noch viel wichtiger aber wäre es gewesen, wenn sich Ude in die internen Abläufe der SPD eingeschaltet hätte, wenn er es schaffen würde, neue Persönlichkeiten zu fördern, die zu Hoffnungsträgern der SPD heranreifen könnten. Er ist dieser Aufgabe nicht einmal in seinem unmittelbaren Umfeld nachgekommen. Die Partei rätselt nach wie vor, wen er dereinst als Nachfolger für das OB-Amt zu präsentieren gedenkt. Viel Zeit bleibt ihm und der Partei dafür nicht mehr.

Auch vor einigen Jahren schmollte Ude nur, anstatt zu explodieren, als die Bayern-SPD eine verheißungsvolle Karriere des Münchner Bundestagsabgeordneten Christoph Moosbauer zerstörte. Er hatte der CSU 1998 ein sicher geglaubtes Direktmandat abgejagt.

Der Lohn der guten Tat war ein aussichtsloser hinterer Listenplatz, Moosbauer - der bereits als künftiger OB-Kandidat gehandelt wurde - blieb ohne Mandat und versank in der politischen Versenkung. Weil damals der Protest der Münchner SPD nicht entschieden genug war, steht sie nun noch schlechter da und hat - aus demselben Grund - auch Axel Berg verloren.

Kommunalpolitisch brisant dürfte noch ein anderer Verlust werden - nämlich der Aderlass der SPD zugunsten der Grünen. Mehr als 40 Prozent der SPD-Verluste gehen auf das Konto der Grünen. Sollte sich diese neue Kräfteverteilung künftig bestätigen, wird dies das Gewicht der SPD im rot-grünen Bündnis spürbar verringern.

Und letzten Endes wird die SPD nicht umhin können, auch im Rathaus darüber nachzudenken, ob man nicht auch mit der Linken zusammenarbeiten muss, wenn es aufgrund der SPD-Schwäche für ein pures Rot-Grün nicht mehr reicht. Im Lager der Linken sind immerhin 11200 der SPD-Stimmen von 2005 verschwunden. Nun kommt es für die Münchner Sozialdemokratie darauf an, all diese enttäuschten Anhänger wieder heimzuholen. Das wird alles andere als einfach sein.

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