Münchner Sozialreferentin Meier:Zu lange gezögert

Münchner Sozialreferentin Meier: Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) steht auch in der eigenen Partei in der Kritik.

Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) steht auch in der eigenen Partei in der Kritik.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sozialreferentin Brigitte Meier hat in der aufgeheizten Situation rund um die Bayernkaserne erst nach langem Zögern gehandelt. Nicht zum ersten Mal wirkt sie überfordert. Auch in der SPD wachsen die Zweifel an ihr.

Von Sven Loerzer

Nach zwei Tagen kommt die Absage: Für ein Gespräch über große Themen wie die Unterbringung von Flüchtlingen nehme sie sich gerne Zeit, aber das gehe nicht mehr vor ihrem dreiwöchigen Urlaub, lässt Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) ausrichten. In den letzten eineinhalb Tagen davor sei noch so viel auf den Weg zu bringen rund um die Bayernkaserne. Die Frage, warum sie erst so spät handelt, bleibt unbeantwortet.

Natürlich ist die Sozialreferentin der Landeshauptstadt München nicht verantwortlich für die Zustände rund um die vom Freistaat übervoll mit Asylbewerbern belegte Bayernkaserne. Doch wie lange kann, wie lange darf die 49-jährige Sozialpädagogin und Pädagogin dabei zuschauen, wie sich die Stimmung in Freimann immer weiter auflädt? Für die Erstaufnahmeeinrichtung in der Bayernkaserne ist zwar in der Tat die Regierung von Oberbayern zuständig.

Nöte von Flüchtlingen und Nachbarn

Aber die Massenunterkunft für mehr als 2000 Flüchtlinge ist keine staatliche Enklave im Niemandsland: Es geht um Menschen, die nach ihrer Flucht aus Kriegs- und Krisenländern erst seit kurzem und unter schwierigen Bedingungen in dieser Stadt leben. "Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen", hat Meier als Aufgabe des Sozialreferats unter ihrer Leitung formuliert. So müsste sie sich selbstverständlich sowohl um die Nöte der Flüchtlinge als auch um die Sorgen ihrer Nachbarn in Freimann kümmern.

Selbst den eigenen Parteifreunden hat das zu lange gedauert: Die SPD-Stadtratsfraktion machte der Sozialreferentin Beine und gab ihr Anfang letzter Woche per Antrag auf, "die soziale Betreuung von Flüchtlingen auch durch städtische Kapazitäten zu verbessern". Obwohl eigentlich der Freistaat zuständig sei, ließ Fraktionschef Alexander Reissl wissen, sei ebenso die Stadt gefordert, "durch gezielte Maßnahmen die Lage zu verbessern". Die hat Brigitte Meier zwar nach dem Runden Tisch am gleichen Tag angekündigt - aber wieder überfordert gewirkt. Denn ausgerechnet bei dem Runden Tisch, der sich mit der Situation beschäftigen sollte, fehlten Vertreter der Inneren Mission, die mit ihren Betreuern in der Bayernkaserne arbeitet, und Patric Wolf (CSU) vom Bezirksausschuss Schwabing-Freimann, der sich sehr um eine Entschärfung der Situation bemüht hat. Sie hatten keine Einladung erhalten.

Nicht das erste Mal seit ihrem Amtsantritt im Juli 2010 zeigt Meier fehlendes Problembewusstsein und mangelndes politisches Gespür. Nicht nur im Sozialbereich, auch bei Parteifreunden lässt das Zweifel daran aufkommen, ob die so umgänglich wirkende Sozialreferentin der anspruchsvollen Aufgabe gewachsen ist, zusammen mit ihren 3500 Mitarbeitern die Nöte der Menschen in dieser Stadt zu lindern. Dabei hätte die Niederbayerin, die aus einfachen Verhältnissen stammt und auf dem zweiten Bildungsweg zum Studium kam, das Amt sogar gern als Sprungbrett zur OB-Kandidatur genutzt. Doch das gelang der SPD-Politikerin, die von 1996 bis 2010 sozialpolitische Sprecherin ihrer Fraktion war, trotz der Unterstützung ihres Vorgängers im Referat, Friedrich Graffe, nicht - obwohl sie keineswegs nur Positionen des linken Parteiflügels vertrat.

So blieb sie an der Spitze des Sozialreferats, Ende 2015 steht die Wiederwahl an. Das Referat mit vielfältigen Aufgaben und einem Etat von mehr als einer Milliarde Euro auf dem richtigen Kurs zu halten, ist keine einfache Aufgabe, vor allem wenn einem Verwaltungserfahrung fehlt. Deshalb ist es fraglich, ob Meier die geplante eine Million Euro teure Organisationsuntersuchung helfen kann, Abläufe und Strukturen in ihrem Referat zu verbessern.

Warnsignale zu spät ernst genommen

Dass es da hakt und Warnsignale zu spät ernst genommen werden, zeigte sich exemplarisch an dem sozialpsychiatrischen Jugendhilfezentrum in der Pasinger Scapinellistraße, eine geschlossene Einrichtung für extrem verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, die Anfang 2012 eröffnet wurde. Doch das Vorzeigeprojekt endete im Desaster, das neue Haus wurde nach acht Monaten zugesperrt, nachdem Jugendlichen die Flucht gelungen war und es Prügeleien gab.

Der damalige Pasinger Bezirksausschussvorsitzende und sozialpolitische Sprecher der Rathaus-SPD, Christian Müller, der sich um Akzeptanz bei besorgten Nachbarn bemüht hatte, war wütend, weil sich die Probleme schon kurz nach dem Start abgezeichnet hatten: "Ich habe beim Sozialreferat mehrfach angemahnt, nachzubessern." Das dauert: Nach fast zwei Jahren Leerstand ist das 5,1-Millionen-Euro-Projekt immer noch nicht wieder eröffnet.

Selbst wenn dies nicht mehr im Blickfeld der breiten Öffentlichkeit steht, bleibt ein anderes Thema, das Brigitte Meier in seiner Brisanz völlig unterschätzt hatte, nach wie vor präsent: Leer stehende städtische Wohnungen und Stiftungshäuser. Ausgerechnet in der heißen Phase des Wahlkampfs entwickelte sich durch symbolträchtige Aktionen der Goldgrund-Aktivisten eine Dynamik, von der das Sozialreferat geradezu überrollt wurde. Angesichts der hohen Mieten und der dringend gesuchten Wohnungen wollte niemand mehr langatmige Erklärungen hören, warum beileibe nicht nur eine Wohnung leer steht.

Erst kurz vor der Wahl war eine Sanierung in Sicht

Ein Paradebeispiel war das vom Sozialreferat verwaltete Stiftungsanwesen Pilotystraße 8 - schon seit Jahren fast völlig unbewohnt. Erst kurz vor der Wahl schien endlich eine, wenn auch teure Sanierung in Sicht - doch nun sind die Pläne wohl Makulatur, weil das Haus in die Denkmalschutzliste aufgenommen worden ist. Nicht wenige in der SPD lasten das miserable Abschneiden der Partei bei der Stadtratswahl dem unglücklichen und unüberlegten Agieren bei den Leerständen an. Einer Partei, die sich als Mieteranwalt profilieren möchte, schadet dies jedenfalls gewaltig.

Auch das an sich bundesweit vorbildliche Kälteschutzprogramm, das verhindern soll, dass Menschen im Winter erfrieren, weil sie sich keine Übernachtung leisten können, geriet in Verruf. Ausgerechnet zu Weihnachten traf die Nachricht mitten ins sozialdemokratische Herz: Das Sozialreferat hat die Ausgabe von Decken für die Bettplätze eingestellt. Obendrein sollten Mütter mit Kindern wie alle anderen Zuwanderer nur einen Schlafplatz erhalten, wenn die Außentemperaturen unter null Grad sinken. Das Bündnis "München-sozial", ein Zusammenschluss der mehr als 60 wichtigsten sozialen Organisationen in der Stadt, zeigte sich empört. München müsse seinem Image als "Weltstadt mit Herz" treu bleiben.

Doch Brigitte Meier hielt stur an dem kaltherzigen Vorgehen fest: Die Stadt dürfe "keine falschen Anreize setzen" zur "Armutszuwanderung". Die harte Haltung stieß fraktionsübergreifend auf Unverständnis. Der damalige CSU-Fraktionschef und heutige Bürgermeister Josef Schmid formulierte eine klare Haltung, die einer Sozialreferentin gut anstünde: "Wenn jemand friert, braucht er eine Decke." Die Sozialpolitiker im Stadtrat zwangen Brigitte Meier zur Kursänderung.

Dem Ruf des Sozialreferats abträglich war auch eine andere Aktion. So zierten vor wenigen Wochen plötzlich kantige Metallstangen eine niedrige Begrenzungsmauer vor dem Wohnungsamt, damit sich dort keine Menschen mehr niederlassen, die auch mal ein Bier trinken. Erst verteidigte das Sozialreferat das Vorgehen, verwies darauf, dass der Hausmeister ständig Abfall zu beseitigen habe. Doch dann wurden die Stangen abgebaut, weil nicht nur Nachbarn, sondern auch Mitarbeiter des Sozialreferats entrüstet reagiert hatten.

Was Brigitte Meier dazu zu sagen hätte? Vielleicht würde sie, wenn sie sich nicht in sich überschlagenden Worten herausreden kann, auf einen von ihr geprägten Satz verweisen: "Sozialarbeiter dürfen keine Sensibelchen sein."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: