Münchner Sicherheitskonferenz:Millimeterarbeit bei 140 Sachen

Münchner Sicherheitskonferenz: In Keilformation begleitet die Motorradstaffel der Münchner Polizei offizielle Staatsgäste, in der Mitte der Chef Reinhard Siegelin.

In Keilformation begleitet die Motorradstaffel der Münchner Polizei offizielle Staatsgäste, in der Mitte der Chef Reinhard Siegelin.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Für die Polizei bedeutet die Münchner Sicherheitskonferenz viel zusätzliche Arbeit.
  • Die Motorradstaffel begleitet offizielle Staatsgäste.
  • Die Fahrer trainieren regelmäßig, damit ihnen bei den Formationen keine Fehler unterlaufen.

Von Susi Wimmer

Und dann passierte es doch: Eine Kurve vom Flugfeld zur Straße, Rollsplitt, die Reifen rutschten weg, und schon lag der Polizist auf der Straße. Dort blieb er zunächst auch liegen, die Polizei-Motorrad-Eskorte für den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff setzte ihre Fahrt ungerührt fort.

Denn das Credo der Staffel lautet: Egal, was passiert, die Ehren-Eskorte fährt weiter. Am kommenden Wochenende sind die Spezialisten der Münchner Polizei im Dauereinsatz: Sie begleiten diverse Staatsgäste auf zwei Rädern, in überaus waghalsigen und hochpräzisen Fahrformationen.

Ein Knopfdruck und die 1200er BMW schnurrt wie ein Kätzchen. Gewichtsmäßig ist die Maschine von Polizeihauptkommissar Reinhard Siegelin allerdings ein rechter Brummer. Das 125-PS-Geschoss bringt 321 Kilo auf die Waage. Wenn die mal liegt, braucht es zwei Mann zum Aufheben. Siegelin fährt seit 32 Jahren bei der Verkehrspolizeiinspektion Verkehrsüberwachung Motorradstreife - und Eskorte.

Ein Orden für das Geleit

Er hat sie alle gesehen, begleitet, eben mit den protokollarischen Ehren bedacht: Prinz Charles und Lady Diana, Erich Honecker, Kofi Annan. US-Vizepräsident Joe Biden hat sich mit Handschlag von ihm verabschiedet, der König von Jordanien hat ihm zum Dank den "großen Unabhängigkeitsorden" angesteckt und beim Dalai Lama gerät Siegelin ins Schwärmen: "Der hat eine Ausstrahlung, das haut mich immer wieder vom Hocker."

Die Polizeidienststelle an der Bad-Schachener-Straße umfasst 142 Männer und Frauen, die für Verkehrsüberwachung zuständig sind, davon haben sich 35 Motorradfahrer auf Eskortfahrten spezialisiert. Die Staffel ist bayernweit im Einsatz, um Gäste der Staatskanzlei, des Landtags oder des Bundes nach einem bestimmten Regelwerk zu begleiten. So sieht es das Protokoll beispielsweise vor, dass Staatsoberhäupter bei Staatsbesuchen mit 15 Motorrädern flankiert werden, ein Außenminister auf Arbeitsbesuch muss sich mit drei Maschinen begnügen.

Eine Wissenschaft für sich

Josef Ratzinger, 2006 noch Papst, wurde natürlich von 15 Motorrädern eskortiert, als er mit seinem gläsernen Papamobil durch die Innenstadt fuhr. Reinhard Siegelin war auch dabei und hat den Papst mehrere Tage lang begleitet. "Schon enorm, wie eng abgesteckt deren Tagesprogramm ist", sagt er.

Eng abgesteckt ist allerdings auch der Spielraum der Fahrer. "Es ist eine Wissenschaft für sich", meint Siegelin. Denn die Polizisten fahren zum Beispiel auf der Autobahn mit bis zu 140 Stundenkilometern in Keilformation, und sind nur etwa 70 Zentimeter vom Nebenmann entfernt. In der Staffel gibt es nur Freiwillige, denn diese Art das Fahrens "muss man können und mögen". Das gemeinsame Tempo ist Millimeterarbeit am Gashebel, die enge Formation erfordert höchste Konzentration. "Bei dem Tempo haben wir keine Möglichkeit, die Fehler eines anderen auszugleichen", sagt Eskortenführer Reinhard Siegelin.

Die Eskorte muss den Gast nicht mehr schützen

Natürlich muss diese spezielle Fahrweise mehrmals im Jahr trainiert werden. Die Staffel, der auch zwei Frauen angehören, übt auf dem Flugfeld des ehemaligen Fürstenfeldbrucker Flughafens. Nur dort gibt es die dafür nötigen längeren Strecken und die erforderliche Straßenbreite.

Denn die 15er-Keil-Formation braucht zwei Fahrbahnspuren. Einmal, erinnert sich Siegelin, verhakten sich bei Tempo 100 auf der Autobahn die Sturzbügel zweier Motorräder ineinander. Erst nach etlichen Hundert Metern gelang es den Fahrern, sich unfallfrei voneinander zu lösen. Seitdem wurde die Formation "Hinterrad an Vorderrad" aufgelöst und umgestellt.

Im Jahr 1924 wurde bei der "Polizeidirektion München" die "Kraftrad-Abteilung" ins Leben gerufen, zur Überwachung des damals beginnenden motorisierten Verkehrs. Mit Stolle-Viktoria-Beiwagenmaschinen waren die Polizisten in Zeiten der Weimarer Republik unterwegs, kein Vergleich mehr mit der heutigen Ausstattung. Neben Funk, Blaulicht, Signalhorn und Navi verfügen die Maschinen auch über Griff- und Sitzheizung. Letztere wurde nach der Sicherheitskonferenz 2012 für alle neuen Motorräder mitbestellt.

Die Maschinen sind komfortabel ausgestattet

Damals eskortierte die Staffel bei minus 20 Grad Celsius. "Das Wetter war trocken, die Fahrbahn frei. Aber es war schon grenzwertig", erzählt Reinhard Siegelin. So es die Straßenverhältnisse zulassen, wird auf zwei Rädern gefahren. Die Beamten sind nicht mehr in Lederkombis unterwegs, sondern tragen Goretex in giftgrün. Das Material sei angenehmer zu tragen, auch bei extremer Hitze, und es soll von der Reibfestigkeit her an Leder herankommen.

Und noch etwas hat sich im Vergleich zu früher geändert: Die Eskorte soll in erster Linie eine Ehrerweisung für den Gast darstellen. Früher waren die Staffelfahrer noch lebendige Schutzschilder. Vier von ihnen hatten sich dicht an jeden Kotflügel des Wagens zu heften, als Deckung quasi für den darin sitzenden Staatsgast. Doch dank der gepanzerten Autos gehört diese Funktion der Vergangenheit an. Heute umfasst so ein Begleitschutzkommando etliche Fahrzeuge mit Führungskräften oder Personenschützern, die sofort reagieren, wenn dem Staatsgast etwa übel wird oder sich ein Unfall ereignet. Einen Anschlag, sagt Schiller, habe es in München noch nie gegeben. "Gott sei Dank", fügt Siegelin leise hinzu.

"Etwa ein Dutzend Einsätze absolvieren die Eskorten-Fahrer im Jahr", schätzt Polizeioberrat Peter Schiller, Leiter der Dienststelle. Seine Männer begleiteten US-Präsident Barack Obama 2009 in Baden-Baden, natürlich waren sie 2015 bei G 7 mit dabei und sie eskortierten den Sarg mit Franz Josef Strauß von München nach Rott am Inn zur Beerdigung - es war ihre weiteste Eskorte. Auch auf der Sicherheitskonferenz in diesem Jahr werden sie Staatsgäste begleiten, aber nur, wenn die zu offiziellen Terminen geladen sind wie etwa der rumänische Präsident Klaus Johannis, der den Landtag besuchen will. Die Konferenz an sich ist keine staatliche Veranstaltung.

Verkehrsbehinderungen bei der Sicherheitskonferenz

Und, so kündigt Schiller an, es werde wieder Verkehrsbehinderungen geben, weil für die Staffel und den Ehrengast die Straßen gesperrt werden müssen. Ein Staatsgast, erzählt er, sollte einmal vom Bayerischen Hof zum Flughafen eskortiert werden. Der Altstadtring bis hin zur Ifflandstraße war schon gesperrt, der Staatsgast stieg ein. Doch ein dringendes Bedürfnis zog ihn noch mal ins Hotel zurück, Münchens Verkehr stand still.

Apropos warten: Der Staffelfahrer, der beim Besuch von Christian Wulff stürzte, wurde vom Schlussauto der Eskorte versorgt. Er blieb unverletzt, konnte aufsteigen und sich in die Staffel einreihen. "Als Wulff abflog, hat er mich zu sich gerufen und sich nach dem Befinden des Kollegen erkundigt", erzählt Siegelin. Das hat er bis heute nicht vergessen.

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