Süddeutsche Zeitung

Münchner Schulkioske:Vollkornsemmel statt Schokoriegel

Bio-Schulmilch und Bio-Belag: Der Arbeitskreis "Gesunde Pause" bemüht sich um frische Kost an Münchner Schulkiosken und will deren Betreiber bekehren.

Christian Rost

Es gibt Stamperl für alle, obwohl kaum Männer in der Runde sitzen. Zwei Tabletts werden durch die Stuhlreihen gereicht, und die Fingerhut großen Becher finden regen Anklang. Ein Schluck und - "upps, jetzt hab' ich glatt vergessen, vorher dran zu riechen" - weg ist die Probe aus dem Hause Andechser.

Der Bio-Milchproduzent nutzt das Treffen der Schulhausmeisters-Gattinnen für einen Test. Kommt die fürs neue Schuljahr entwickelte Trinkschokolade und Vanillemilch gut an? Glauben die Betreiberinnen von Pausenkiosken an Schulen, dass Kinder und Jugendliche die beiden Produkte namens "Schokuhlade" und "Fun-nille" mögen? Die Damen machen der Molkerei Mut. Weil die Bio-Schulmilch "weniger Zucker als andere Produkte enthält, echten Kakao und Bourbonvanille" sehen sie einen Markt für das Produkt. Zumindest würde die Milch gut in ihre Sortimente passen. Nur Gesundes kommt dort in den Verkauf.

Keine mächtigen Schokoriegel, keine Cola-Mix-Getränke, Pizzastücke oder Ketchup-Käse-Toasts. Die süßen und fetten Verführer haben im Angebot der Betreiber von Schulkiosken, die im städtischen Arbeitskreis "Gesunde Pause" aktiv sind, nichts verloren. Rund ein Drittel der Kioskbetreiber an den Münchner Schulen hat sich schon von den Leitern des Arbeitskreises, Herbert Süßmeier und Franz Hammerl-Pfister, bekehren lassen.

Damit sie bei ihrer Mission für eine bessere Ernährung von Schulkindern, die ja immer häufiger übergewichtig sind, nicht vom Weg abkommen, werden die Pausenverkäufer einmal im Jahr zum Treffen geladen. Dabei gibt's für die gut 50 Teilnehmer Informationen rund um die Ernährung und Tricks zum Ankurbeln des Kioskverkaufs. Die besonders Innovativen unter ihnen bekommen einen Preis. Und es werden Kostproben gereicht: Neben der Bio-Schulmilch aus dem Klosterort diesmal Beläge von der Münchner Firma Morgenstund, die sich auf belegte Semmeln spezialisiert hat.

Tabu: Butter, so dick, dass man den Zahnabdruck sieht

Für den Schulverkauf bietet Morgenstund - man beliefere auch den Flughafen und BMW, sagt der Vertreter - neuerdings ein Sortiment an Bio-Belägen an. Ein Belag kann aus einem Salatblatt, einer Scheibe Wurst, Tomate und einem Blatt Basilikum bestehen und wird fix und fertig geliefert. 500 Beläge stehen zur Auswahl, je 40 bis 60 Gramm schwer und 30 bis 90 Cent teuer. Nur noch mit dem Kuchenheber vom Kühlblech in die aufgeschnittene Semmel heben und verkaufen. Damit können sich die Pausenverkäuferinnen viel Butter-Schmiererei am Morgen sparen. Aber Butter soll ohnehin nicht so viel auf die Semmel, "zumindest nicht so viel, dass man den Zahnabdruck der Kinder nach dem Reinbeißen sieht", mahnt Gabriele Dicker.

Dicker leitet die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Oberbayern Ost und ist für den Freistaat in Sachen gesunde Pausenkost unterwegs. Bei ihrem Kurzreferat vor den Münchner Kioskbetreiberinnen kann sie nicht viel Neues erzählen. Denn in der Landeshauptstadt läuft die Aktion Gesunde Pause schon seit 15 Jahren, während der Freistaat gerade erst mit seiner Kampagne begonnen hat. Die Damen vom Pausenverkauf hören trotzdem aufmerksam zu und merken einmal sogar auf, als Gabriele Dicker anmahnt: "Freundlichkeit im Verkauf ist oberstes Gebot. Lächeln ist Ihr Umsatz."

Einer der wenigen Herren in der Runde macht ein Gesicht, als sähe er gerade im Geiste 300 hungrige und drängelnde Schüler vor sich. Jedenfalls glaubt der Mann offenbar nicht so sehr an die Jugend wie Frau Dicker, die anregt, die Schüler in den Verkauf einzubinden, um noch mehr aus dem gesunden Sortiment abzusetzen. "Von Schüler zu Schüler auf einer Ebene, probieren Sie es aus", sagt die Ernährungsberaterin. Der Hausmeister schüttelt vernehmlich den Kopf. "Außerdem ist das an unserer Schule verboten." Auch die Pausenverkäufer haben eben ihre Nöte.

Mit Obst und Vollkornsemmeln durch die Klassenzimmer

Etwa Susanne Kraxenberger. Am Albert-Einstein-Gymnasium betreibt sie eine fahrbare Theke, weil ihr die Stadt den Pausenkiosk weggenommen habe. Der sei renovierungsbedürftig, das lohne sich angeblich nicht mehr. "Und außerdem wollen die mich loswerden, weil künftig alles über die Schulmensa laufen soll." Susanne Kraxenberger lässt sich in ihren Bemühungen, den Kindern etwas Vernünftiges zur Pause anzubieten, aber nicht abbringen. Also kommt sie jeden Tag mit ihrer mobilen Theke in die Schule gefahren, mit Vollkornsemmeln und geschnittenem Obst drauf.

Wegen des Geldes, da winken auch Angelika Mayer vom Klenze-Gymnasium und Anja Dittus vom Theodolinden-Gymnasium energisch ab, stellten sie sich aber nicht an den Tresen. "Das ist allenfalls ein Nebenerwerb", sagt Anja Dittus. Die Vorbereitung für den Pausenverkauf beginnt bei ihr täglich um 6 Uhr früh mit dem Aufbacken der Semmeln, dann muss Obst für den Salat geschnitten werden, weil die Schüler Stückobst nicht so sehr mögen. In der ersten Pause geht es dann rund am Verkauf. Allein das auszuhalten, erfordert ein gerüttelt Maß an Idealismus.

Jana Linder hat für ihre Diplomarbeit zu den Ernährungsgewohnheiten Kinder und Jugendlicher auch erstmals die Bedeutung der Pausenkioske sozialwissenschaftlich untersucht. Bei ihren Umfragen in Münchner Schulen kam heraus, dass die Schule nach der Familie besonders prägend für die Essgewohnheiten ist. Die Schüler schätzten frische und abwechslungsreiche Kost am Kiosk, mit zunehmendem Alter habe dies für die Jugendlichen eine immer größere Bedeutung. Der Aktionskreis Gesunde Pause konnte sich also in seinem Bemühen von Linders Ergebnissen bestätigt sehen. Die Sozialwissenschaftlerin empfahl den Kioskbetreiberinnen aber auch, ein paar Süßigkeiten im Sortiment zu behalten. "Als Trostspender und bei Stress brauchen die Schüler auch mal Schokolade."

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SZ vom 16.07.2009
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