Münchner Schauspieler:Alles unsere!

Julia Jentsch, Mario Adorf oder Max Schreck: Man kennt diese Schauspieler aus dem Kino oder dem Fernsehen - aber groß wurden sie an den Kammerspielen.

Franz Kotteder

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Wer es ins Ensemble der Münchner Kammerspiele geschafft hat, an eine der renommiertesten Bühnen des deutschen Sprachraums, hat eigentlich alles erreicht, was man als Schauspieler erreichen kann. Möchte man meinen. Für manche aber geht's noch weiter, hinter dem Horizont der Maximilianstraße.

Und einige haben es tatsächlich zu so allgemeiner Bekanntheit gebracht, dass sich kaum jemand noch vorstellen kann, sie hätten einstmals auf einer Theaterbühne gestanden wie tausend andere ihrer Zunft.

Einer von ihnen hat sich sogar einen Platz in der internationalen Filmhistorie gesichert: Max Schreck (Foto). Wäre er lediglich, wie er es war, 1919 bis 1922 und dann noch einmal 1930 bis 1936 Mitglied im Ensemble der Kammerspiele gewesen - für ihn hätte wohl das alte deutsche Sprichwort gegolten: "Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze".

Ja, wäre da nicht 1922 der Filmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau gewesen, der in Schreck den idealen Darsteller für die Rolle des Vampirs Graf Orlok in seinem Stummfilmklassiker "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" gefunden hatte. Schreck spielte davor und danach noch in weiteren gut 50 Filmen mit, seine Darstellung des Nosferatu aber ist die wohl eindrücklichste gewesen und wirkt bis heute fort.

Noch immer erweisen ihm sogar Hollywood-Produzenten und -Regisseure Reverenz in Form von Anspielungen auf seinen Namen: So wurde das sympathische grüne Animationsmonster "Shrek" mittlerweile Star in drei Filmen, nach Max Schreck benannt, und in Tim Burtons Film "Batmans Rückkehr" spielt Christopher Walker einen Bösewicht mit dem Namen "Max Shreck".

Der Bühnenkünstler Schreck jedoch ist so gut wie vergessen; erst jetzt wird er wiederentdeckt: Im Belleville-Verlag des Münchner Kleinverlegers Michael Farin, der sich schon lange mit dem Phänomen des Horrorfilms beschäftigt, erscheint demnächst eine 580-seitige Monographie über den Schauspieler (Stefan Eickhoff: "Max Schreck - Gespenstertheater", 39 Euro).

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Karrieren in Film und Fernsehen sind in der Tat aber gar nichts Ungewöhnliches für Schauspieler der Münchner Kammerspiele. Manche haben es sogar so weit gebracht, dass heute niemand mehr vermuten würde, sie hätten einmal unter Fritz Kortner in Büchners "Leonce und Lena" tragende Rollen gespielt, oder unter Dieter Dorn in Goethes "Faust" das Bürgermädchen und das Lieschen gegeben.

Letzteres ist niemand anderes als Katja Riemann (Foto), die nach ihrer Ausbildung in Frankfurt 1986 bis 1989 an den Kammerspielen meist kleinere Nebenrollen übernahm. Heute ist sie so etwas wie eine große Diva des deutschen Films, man kennt sie aus dem "Bewegten Mann" von Sönke Wortmann, aus Joseph Vilsmaiers "Comedian Harmonists" oder Rainer Kaufmanns "Ein fliehendes Pferd".

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Und Horst Tappert (Foto), weltweit als Fernsehkommissar Derrick berühmt geworden (die Krimiserie wurde in mehr als 100 Länder verkauft, 281 Folgen wurden gedreht), gehörte zwischen 1956 und 1967 dem Kammerspiel-Ensemble an und spielte in diesen Jahren zahlreiche große Charakterrollen unter Kortner und Hans Schweikart.

Überhaupt scheint es einen gewissen Zusammenhang zwischen dem großen klassischen Fach und der Tätigkeit als Fernsehkommissar zu geben: Siegfried Lowitz ("Der Alte") gehörte 1950 bis 1956 und von 1962 bis 1968 dem Kammerspielensemble an. Axel Milberg ("Tatort") wirkte von 1981 an 17 Jahre lang als Schauspieler auf der Bühne an der Maximilianstraße. Edgar Selge (ebenfalls "Tatort") von 1978 an gar 20 Jahre lang. Auch das Nebenpersonal zahlreicher TV-Krimis rekrutierte sich immer wieder aus dem Ensemble, von Elmar Wepper bis Rosemarie Fendel.

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Das alles hat schon Tradition, und es ist ja auch kein Wunder. Beinahe von Anfang an, seit 1911, gelten die Münchner Kammerspiele als eine der renommiertesten Bühnen Deutschlands. Unter den großen Intendanten Otto Falckenberg, Hans Schweikart und Dieter Dorn spielten hier zahlreiche große Theaterstars, und mit der angegliederten Otto-Falckenberg-Schule hat man eines der angesehensten Ausbildungsinstitute für junge Schauspieler gleich als Lieferanten für hochwertigen Bühnennachwuchs quasi im eigenen Haus. Da liegt es nahe, dass Filmindustrie und Fernsehanstalten ihre Besetzungslisten mit ausgewiesenen Schauspielkünstlern ausstaffieren.

Für die Schauspieler aber waren Film und Fernsehen seit jeher zumindest ein angenehmer Nebenverdienst, bei wachsendem Erfolg für viele dann auch die Haupteinnahmequelle. Und von manchen weiß man heute gar nicht mehr, dass sie viele Jahre lang auch noch an den Kammerspielen in großen Rollen tätig waren: Heinz Rühmann etwa (Foto, 1926 bis '30 im Ensemble und dann bis 1974 immer wieder sporadisch), O. W. Fischer (1937), Axel von Ambesser (1934 bis '36), Elisabeth Flickenschildt (1933 bis '36), Carl-Heinz Schroth (1937), Heli Finkenzeller (1934 bis '36), O. E. Hasse (1930 bis '39), später dann zum Beispiel Gert Fröbe (ab 1946) - allesamt Namen, ohne die der deutsche Film dieser Jahre nicht vorstellbar wäre.

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Das ist bis heute so geblieben: Julia Jentsch (Foto, "Sophie Scholl - die letzten Tage", "Der Untergang") spielte ebenso wie Jule Ronstedt ("Wer früher stirbt, ist länger tot") an den Kammerspielen wie zuvor schon Cornelia Froboess, die aus vielen Fassbinder-Filmen bekannte Eva-Ingeborg Scholz oder auch Christa Berndl.

Regisseur Helmut Dietl entdeckte auf der Bühne an der Maximilianstraße mit Günther Maria Halmer den idealen Darsteller für den Strizzi namens Tscharlie in den "Münchner Geschichten".

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Die größte internationale Karriere hat in den letzten 50 Jahren aber wohl ein Eigengewächs aus der Otto-Falckenberg-Schule gemacht: Mario Adorf (Foto). Er lernte hier Anfang der Fünfzigerjahre sein Handwerk, spielte unter Hans Schweikart, Fritz Kortner, Paul Verhoeven und August Everding bis 1962 im Ensemble, bevor er dann endgültig zum Film wechselte und mit großen Regisseuren wie Sam Peckinpah, Wolfgang Staudte, Billy Wilder, Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder und Claude Chabrol zusammenarbeitete. Ellenlang ist die Liste seiner Filme, und er gehört sicher zu den wenigen wirklich großen Stars, die der deutsche Film aufbieten kann.

Adorfs erste richtige Rolle an den Kammerspielen war übrigens 1953 der Maikäfer Susemann in dem Kinderstück "Peterchens Mondfahrt". Das ist etwas, was ihn mit dem Mimen Max Schreck verbindet. Eine der letzten Rollen Schrecks ist im gleichen Stück der böse Mondmann gewesen. Damit schafft man es allerdings kaum in die Annalen der Historie großer Bühnenkunst: Als Max Schreck im März 1936 überraschend starb, wurde er anonym auf dem Waldfriedhof in Berlin-Wilmersdorf beigesetzt. Michael Farin sagt, er habe sich vor einigen Jahren bei der Berliner Stadtverwaltung für ein Ehrengrab eingesetzt, das sei aber abgelehnt worden. "Schade", sagt Farin, "die Grabinschrift: 'Hier ruht Nosferatu' hätte schon was gehabt". Foto: AP

(muenchen erleben/sonn)

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