S-Bahn München:Konkurrenz auf der Schiene

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Künftig könnten auf Strecken des Münchner S-Bahn-Netzes nicht mehr nur Züge der Deutschen Bahn rollen, sondern auch Waggons anderer Anbieter: 2017 wird der Betrieb neu vergeben - diesmal wollen auch Konkurrenten der Bahn mitmischen. Doch was bedeutet mehr Wettbewerb für die Fahrgäste?

Marco Völklein

Für Engelbert Recker ist die Sache klar. Sollte der Freistaat in den kommenden Monaten den Verkehrsvertrag für die Münchner S-Bahn neu ausschreiben, dann werden diverse Konkurrenten der Deutschen Bahn in den Bieterwettstreit einsteigen. "Unsere Mitgliedsunternehmen stehen parat", sagt der Geschäftsführer des Verbandes "Mofair", in dem sich Bahn-Wettbewerber zusammengeschlossen haben.

Künftig könnten dann zumindest auf Teilstrecken des S-Bahn-Netzes nicht mehr die roten Züge der Deutschen Bahn rollen, sondern zum Beispiel blaue Triebwagen des Anbieters Veolia oder gelbe der Firma Keolis. Beide Unternehmen sind in Bayern seit geraumer Zeit vertreten - beispielsweise auf Bahnstrecken rund um Augsburg oder Regensburg.

Bislang betreibt die Deutsche Bahn das komplette Münchner S-Bahn-Netz. Das Geld dafür erhält der Konzern - außer von den Fahrgästen - vom Freistaat. Wie viel genau, ist geheim. Der Betreibervertrag läuft 2017 aus. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die im Auftrag des bayerischen Verkehrsministeriums die Regional- und S-Bahn-Strecken vergibt, will die Münchner S-Bahn ausschreiben - und hofft, dass sich die Bahn und deren Wettbewerber ein heftiges Gerangel liefern. Denn je intensiver gerangelt wird, desto mehr springt für die Fahrgäste heraus, hofft die BEG. Unterm Strich erhalte der Freistaat so ein besseres Angebot für weniger Geld.

So weit die Theorie. In der Praxis allerdings stehen die BEG-Leute vor einer riesigen Herausforderung - schließlich umfasst die Münchner S-Bahn das mit Abstand größte und vermutlich ertragreichste Schienenverkehrsnetz Bayerns. Und der Betrieb gilt als hochkomplex. Allein der Wagenpark umfasst 238 Fahrzeuge, in Steinhausen betreibt die Bahn eine moderne Werkstatt.

Ein neuer Betreiber müsste Wagenpark und Werkstatt ablösen - das allein kostet viel Geld. Hinzu käme, dass die BEG bei einer Neuausschreibung auf einen Ausbau des Fuhrparks drängen dürfte, um den Fahrgästen zusätzliche Verbindungen anzubieten. Auch dafür wären immense Investitionen aufzuwenden - Geld also, das kleinere Wettbewerber nicht einfach so werden aufbringen können.

Das zumindest fürchten Beobachter, auch wenn hinter den meisten Bahn-Konkurrenten große Verkehrskonzerne aus dem Ausland stehen. Letztlich, sagt Mofair-Mann Recker, müssten die deutschen Töchter für die Investitionen alleine aufkommen; für viele sei das nicht zu schaffen. In Hamburg, wo ebenfalls 2017 der S-Bahn-Vertrag ausläuft, hatte das Land das komplette Netz ausgeschrieben - mit der Folge, dass sich letztlich nur ein einziger Anbieter bewarb: der Platzhirsch Deutsche Bahn.

Die Idee, mit mehr Wettbewerb ein Mehr für die Fahrgäste herausholen zu können, ging so nicht auf. Jetzt wird überlegt, ob der städtische Nahverkehrsbetreiber in Hamburg neue Triebzüge beschafft, die dann gegen eine Leasing-Gebühr einem Betreiber zur Verfügung gestellt werden könnten - das würde zumindest den nötigen Kapitalaufwand für potenzielle Anbieter mindern.

Das Land Berlin, wo ebenfalls 2017 eine Neuvergabe ansteht, rang sich nach langen und heftigen Diskussionen zu einem anderen Plan durch, damit auch kleinere Konkurrenten zum Zug kommen können. Dort teilte das Land das Netz in Teilbereiche auf und bietet diese nun den Betreibern an. Allerdings hat die Bahn dieses Verfahren vor Gericht angefochten. Der Ausgang ist offen.

Die Verantwortlichen der BEG verfolgen interessiert den weiteren Verlauf - schließlich favorisieren auch sie die Ausschreibung von Teilstrecken für das Münchner Netz. Derzeit sei ein Gutachten in Arbeit, um die "technischen Voraussetzungen" zu analysieren, sagt BEG-Chef Fritz Czeschka. Spruchreif ist aber noch nichts, dazu ist das Netz seiner Ansicht nach zu komplex. "Das ist keine Standardausschreibung", sagt Czeschka. Das Ganze werde "sich noch eine Weile hinziehen". Der CSU-Landtagsabgeordnete Eberhard Rotter zeigt Verständnis für die Verzögerungen: Bei der S-Bahn-Frage gelte "Gründlichkeit vor Schnelligkeit".

Zumal die BEG-Planer gar nicht wissen, was sie denn nun genau ausschreiben sollen. Denn ein künftiges Betriebskonzept sähe nach dem Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke ganz anders aus als ohne den geplanten zweiten Innenstadttunnel. So könnte das Land zum Beispiel die geplanten Express- und Überlandzüge, die künftig durch die zweite Röhre fahren sollen, an einen anderen Betreiber vergeben als das bereits bestehende S-Bahn-Netz. Derzeit allerdings ist offen, ob der zweite Tunnel überhaupt gebaut wird.

Hinzu kommt: Auch der Vertrag für die Nürnberger S-Bahn läuft 2017 aus. Auch dort plant der Freistaat eine Ausschreibung, und auch dort ist der Betrieb ähnlich komplex. Angesichts der Fülle an Aufgaben sei die BEG "derzeit ein bisschen überlastet", sagt der SPD-Verkehrspolitiker Thomas Beyer. Von Teilausschreibungen der Münchner S-Bahn hält er nichts, "dazu ist das System zu fragil".

Mit einer raschen Entscheidung rechnet er ohnehin nicht: Im Herbst 2013 ist Landtagswahl. Und vorher, vermutet Beyer, werde der FDP-Verkehrsminister "wohl kaum neue Unruhe unter den Fahrgästen schüren wollen".

© SZ vom 24.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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