Konzert:Heimlicher Hauptdarsteller

Konzert: Präzision und Geschmeidigkeit: Das Münchner Rundfunkorchester zeigte sich von seiner besten Seite.

Präzision und Geschmeidigkeit: Das Münchner Rundfunkorchester zeigte sich von seiner besten Seite.

(Foto: Felix Broede)

Das Münchner Rundfunkorchester feiert seinen 70. Geburtstag im Prinzregententheater mit einer konzertanten Aufführung von "La Wally".

Von Klaus Kalchschmid, München

Ein schöneres Geschenk zum 70. Geburtstag hätte sich das Münchner Rundfunkorchester nicht machen können als mit dieser grandiosen konzertanten Aufführung von Alfredo Catalanis "La Wally" im Prinzregententheater. Denn trotz einer fulminanten Sängerdarstellerin wie Carmen Giannattasio als selbstbewusster, mit der Natur und den Ötztaler Bergen so verbundenen Wally, die am Ende tödlich scheitert, war das Orchester der heimliche Hauptdarsteller in dieser packenden Verismo-Oper par excellence aus dem Jahr 1891.

Schon seit Jahrzehnten gibt es die Tradition der "Sonntagskonzerte" mit dem Münchner Rundfunkorchester und illustren Sängern wie einst Lucia Popp, Mirella Freni, Fritz Wunderlich, Piero Cappucilli und Nicolai Ghiaurov, oder die Zusammenarbeit in Recitals für CD wie zuletzt mit Vesselina Kasarová, Michael Volle, Juliane Banse, Marina Rebeka und bald mit dem slowakischen Tenor Pavol Breslik, der Ende Mai Strauss-Lieder einspielt - aber auch die von Operngesamtaufnahmen wie "Maria Stuarda" mit Edita Gruberová oder Jaromír Weinbergers "Schwanda, der Dudelsackpfeifer".

Längst ist aus den sonntäglichen Arienabenden die konzertante Aufführung einer oftmals selten gespielten Oper geworden, wie zuletzt unter Chefdirigent Ivan Repušić früher Verdi wie "Luisa Miller", "I due Foscari" oder "Attila". Er hätte auch am Pult stehen sollen bei "La Wally". Doch aus Krankheitsgründen musste Graeme Jenkins übernehmen. Unter seiner souveränen Leitung zeigte sich das Rundfunkorchester von der besten Seite und spielte mit einem theatralen Furor, aber auch einer großartigen Präzision und Geschmeidigkeit und Plastizität der Tongebung, die vergessen ließ, dass man einer konzertanten Aufführung beiwohnte.

Auf der Bühne, unmittelbar hinter den Sängern, ist das Orchester um vieles präsenter

Im Gegenteil, denn weil es nicht wie im Opernhaus im Graben sitzt, sondern sichtbar und noch deutlicher hörbar auf der Bühne unmittelbar hinter den Sängern, ist das Orchester eben auch um vieles präsenter in jeder Hinsicht, nicht zuletzt in den ausgedehnten Vorspielen oder den Momenten, wenn nicht gesungen wird und so auch keine Szene ablenkt und sich das Ohr ganz auf die Musik konzentrieren kann.

Das zentrale Zusammenwirken mit den Sängerinnen und Sängern war freilich ebenso stimmig. Denn allen voran machte Carmen Giannattasio eine Paraderolle aus ihrer Partie der herben Schönheit Wally, die das Spiel des beim ausgelassenen Tanz von einem Mann geraubten Kusses verweigert, dann den geliebten Giuseppe Hagenbach küsst, der damit aber nur eine Wette gewonnen hat. Mit wilden roten Haaren vor der Pause in Schwarz, dann opulent weißgekleidet als Braut, aber auch als wäre sie Teil von Eis und Schnee des Gletschers, singt sie nicht nur mit herrlich expressiv volltönendem Sopran in allen Lagen grandios, sondern spielt auch in Mimik und Gestik ganz ohne Szene faszinierend.

Dagegen hat es ihr in jeder Hinsicht etwas steifer italienischer Landsmann Carlo Ventre als Giuseppe Hagenbach schwer, zumal er sein mächtiges tenorales Material meist ein wenig ungeschlacht und in der Lautstärke oft reichlich eindimensional einsetzt. Am Ende, wenn Wally ihm, dem sie zuerst den Tod wünschte, den sie dann aus Bergnot rettet, schließlich nach erneutem Absturz in die Tiefe folgt, wird aus den beiden, leider in jeder Hinsicht zu spät, musikalisch doch noch ein schönes Paar.

Überzeugend in kleineren Rollen vor allem der junge Pracht-Bassbariton Milan Siljanov von der Bayerischen Staatsoper, Juan Jesús Rodríguez als baritonal auftrumpfender Vincenzo Gellner, der Wally leidenschaftlich begehrt und schließlich auch bekommt, Sopranistin Mané Galoyan in der Hosenrolle des Zitherspielers Walter oder die junge Mezzosopranistin Corinna Scheurle als Afra. Wie immer auch als Opernchor bestechend bühnenwirksam singend: der Chor des Bayerischen Rundfunks.

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