Münchner Rathaus:Beben im schwarz-roten Bündnis

  • Zwischen CSU und SPD im Münchner Rathaus kriselt es.
  • Immer wenn es um Flüchtlinge oder Wohnungslose geht, ist ein Streit im schwarz-roten Bündnis fast schon sicher.
  • Beim aktuellen Schlagabtausch ging es anfangs um die Erweiterung eines Notquartiers. Inzwischen streiten die Parteien über den Presseverteiler.

Von Dominik Hutter

Vielleicht muss man Brigitte Wolf gewisse prophetische Fähigkeiten zuschreiben. Kaum hatte die Stadträtin der Linken im Rathaus-Plenum Koalitions-Knatsch vorausgesagt, kam es auch schon dazu - nur wenige Stunden später. Zwar hatte Wolf eigentlich über die mangelnde Absprache zwischen CSU und SPD in der Causa des verhinderten Umweltreferenten Markus Hollemann gelästert. Möglicherweise hätten aber auch im Falle der Gemeinschaftsunterkunft in der Kastelburgstraße ein paar persönliche Worte unter den Bündnispartnern weitergeholfen, um größeren Ärger zu vermeiden. Stattdessen entschieden sich die Rathaus-Mächtigen für eine Konversation über den Presseverteiler. Das geht selten gut.

Und so stehen nun Vorwürfe im Raum, die das ansonsten auffallend harmonische Bündnis überschatten: Doppelzüngigkeit, Populismus, eine nicht akzeptable Entgleisung sowie Zündelei lauten die wenig schmeichelhaften Vorwürfe der Sozialdemokraten an den Partner, der doch immerhin dem SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter die Regierungsmehrheit sichert. Die CSU gibt sich gelassen und sachlich, hat beim gleichen Thema aber in der Vergangenheit verbal vorgelegt: Tarnen und Täuschen lautete einst der Vorwurf von CSU-Fraktionschef Hans Podiuk ans SPD-geführte Sozialreferat, als es um die Standortsuche für Unterkünfte ging.

Themen mit Streitgarantie

Immer wenn es um Flüchtlinge oder Wohnungslose geht, sind sich die beiden Koalitionäre nicht grün. Dann pochen die Christsozialen gerne darauf, man müsse Bürgersorgen ernst nehmen - während die Sozis dem Partner einen Rückfall in Zeiten attestieren, als es noch en vogue gewesen sei, Politik auf dem Rücken von Minderheiten zu machen.

Der aktuelle Streit begann mit einem Brief des Landtagsabgeordneten und früheren Münchner CSU-Chefs Otmar Bernhard an OB Reiter, in dem es um die Erweiterung des Notquartiers in der Aubinger Kastelburgstraße geht. Dort soll ein Anbau entstehen, um in einer bestehenden Unterkunft mehr Wohnungslose unterzubringen - zunächst 270 statt 180, inzwischen ist nur noch von 200 bis 230 die Rede. Das Thema beschäftigt die Anwohner und den Bezirksausschuss schon seit einiger Zeit, weil es in der unmittelbaren Nachbarschaft schon mehrere Einrichtungen gibt.

In Bernhards Brief ist deshalb die Rede von einer Gefahr für den sozialen Frieden und von einem "sozialen Brennpunkt". Er verweist auf die benachbarten Kindergärten und äußert den Wunsch, das Ganze doch bitte nach Freiham zu verlegen. Später rühmte sich die Stadtrats-CSU, die geplante Flüchtlingsunterkunft verkleinert zu haben. "Ein schöner Erfolg" sei das, freute sich Johann Sauerer, der im Stadtrat als einziger Christdemokrat gegen die Erweiterung in Aubing gestimmt hatte. Die Aubinger würden durch die große Anzahl hilfebedürftiger Menschen überfordert.

"Unterstes Niveau" des Bündnispartners

Die SPD kochte. Und wie es bei Koalitionsstreitigkeiten Usus ist, wagte sich zuerst die Parteizentrale aus der Reserve. Münchens SPD-Vizechef Roland Fischer warf Bernhard in harschen Worten vor, er wolle suggerieren, dass Menschen in Not eine Gefahr für kleine Kinder darstellen. Die CSU gebe sich in Sonntagsreden großstädtisch. Sobald es aber konkret werde, würden Ausreden und Ausflüchte gesucht, warum es an bestimmten Adressen doch nicht gehe. Ein paar Stunden später empörte sich dann doch noch die SPD-Stadtratsfraktion, die offenbar durch die Äußerungen der CSU eine rote Linie übertreten sah.

"Verantwortungsvolle Politik sieht definitiv anders aus", wetterte SPD-Fraktionschef Alexander Reissl - nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es in Aubing nicht um Flüchtlinge, sondern um Wohnungslose gehe, und dass die Verkleinerung seit Wochen vom Sozialreferat zugesagt sei. Die CSU schüre Angst, statt gemeinsam mit der SPD weitere Standorte für Unterkünfte zu suchen - "und zwar unabhängig davon, wo die eigenen Stadträte wohnen". SPD-Sozialsprecher Christian Müller attestierte dem Bündnispartner "unterstes Niveau".

Podiuk reagierte diplomatisch: Man könne nur mit den Bürgern, nicht gegen sie regieren. Auf einen Gegenangriff verzichtete er ganz. Nicht, dass noch die zweite Wolfsche Prophezeiung eintrifft: "Wenn sie die Koalition zerbrechen wollen, müssen sie nur so weitermachen."

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