Münchner Polizei:Scharfe Kritik an schikanösen Kontrollen

Krasse Ausnahme - oder gängige Praxis? Der Fall eines 27-Jährigen, der immer wieder entwürdigende Drogenkontrollen auf Münchner Polizeiwachen über sich ergehen lassen musste, beschäftigt nun den Landtag. Die Grünen verlangen einen Bericht zur Kontrollpraxis der Polizei.

Ronen Steinke

Schikanöse Personenkontrollen durch die Münchner Polizei werden ein Fall für den Landtag. Die Grünen wollen nach den Worten ihrer Innenexpertin Susanna Tausendfreund im Landtag einen Bericht zur Kontrollpraxis der Polizei verlangen. Grund ist ein Vorfall vom März: Polizisten hatten einen 27-Jährigen wiederholt ohne Grund durchsucht und ihn dazu gezwungen, seinen Pobacken zu spreizen und sein Genital zu zeigen. Auslöser war ein alter Eintrag im Polizeicomputer wegen Drogenbesitzes, das Verfahren war allerdings seinerzeit eingestellt worden. Die Grünen wollen jetzt wissen, ob Fälle wie dieser krasse Ausnahmen sind - oder nur die Spitze eines Eisbergs.

Dass derart entwürdigende Kontrollen häufiger vorkommen, mutmaßt jedenfalls der Anwalt des 27-Jährigen, Dirk Thöle. Nachdem die SZ über seinen Mandanten berichtete, habe sich noch ein weiterer Betroffener bei ihm gemeldet. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei hingegen, Helmut Bahr, winkt ab: Man lese selten von solchen Fällen. Es sei wichtig, jeden einzelnen davon aufzuklären - aber auch, daraus nicht gleich Theorien zu spinnen. Aus dem bayerischen Innenministerium heißt es dazu, die jüngst bekannt gewordenen Vorkommnisse seien "Einzelfälle" und die dort angewandte Härte für Münchens Polizei "gänzlich unüblich". Die Fälle würden seitens des Polizeipräsidiums München "konsequent aufgearbeitet".

Polizisten können grundsätzlich nicht wissen, ob ihnen bei einer Kontrolle ein Straftäter ins Netz gehen wird, vielleicht mit Drogen in der Unterhose oder einem Klappmesser in der Tasche - oder ein unbescholtener Mensch. Das müssen sie laut Gesetz auch nicht, die Kontrolle soll schließlich gerade das klären. Sie müssen sich aber sorgfältig fragen, ob überhaupt etwas auf einen Verdacht hindeutet - und dies gilt auch in der besonders gefährdeten Zone rund um den Bahnhof, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Jahr 2003 klarstellte. Wie dies in der Praxis gehandhabt werde, "darüber werden wir uns jetzt im Landtag berichten lassen", sagt die Grüne Susanna Tausendfreund.

Das Thema müsse sehr ernst genommen werden, sagt sie, vor allem nachdem ein Münchner Polizeibeamter sich jüngst gegen den Vorwurf der rechtswidrigen Körperdurchsuchung damit verteidigt hatte, das mache man immer so. Die Grüne fordert vom Innenminister, seine Beamten streng zu kontrollieren. "Ein Polizeibeamter, der so handelt, darf nicht mehr auf die Bevölkerung losgelassen werden", sagt sie - und spielt damit auf das polizeiinterne Disziplinarrecht an. Ihren Beamtenstatus verlieren Polizisten erst ab einer Freiheitsstrafe von einem Jahr - und dazu hatte das Entsetzen des Strafrichters, der am vergangenen Donnerstag einen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt verurteilte, gerade nicht gereicht.

Der angeklagte Polizeibeamte hatte den 33-jährigen Murat S. dazu gezwungen, sich nackt auszuziehen und sich nach Drogen durchsuchen zu lassen - ohne "den Hauch eines Anfangsverdachtes", wie der Richter in der Verhandlung festhielt. Der Richter verhängte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen. In solchen Fällen bleibt es der Polizei selbst überlassen, welche dienstlichen Konsequenzen sie gegen den verurteilten Kollegen zieht - und welche Signale sie damit an andere Beamte aussendet.

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