Kritik:Reiz der Unterschiede

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Die Münchner Philharmoniker unter Zubin Mehta spielen George Crumb und Richard Strauss.

Von Andreas Pernpeintner, München

Unterschiedlicher als mit George Crumbs "Ancient Voices of Children" für Sopran, Knabensopran und Kammerensemble sowie Richard Strauss' "Sinfonia domestica" können Programmhälften nicht gestaltet sein. Crumbs Musik ist sehr filigran, und so wird beim Konzert der Münchner Philharmoniker mit ihrem Ehrendirigenten Zubin Mehta in der Isarphilharmonie nur ein kleiner Halbkreis im Bühnenvordergrund bespielt, während im unbeleuchteten Hintergrund schon die Phalanx der Kontrabässe lehnt, die die Opulenz nach der Pause erahnen lässt. Doch haben beide Werke eins gemeinsam: ihre Instrumentationskunst, die in riesigen Partituren verewigt ist - bei Strauss riesig in der Besetzung, bei Crumb riesig im Papierformat, auf dem Noten wie eine Grafik angeordnet sind. Sogar eine Choreographie (etwa Knabensopran aus dem Off, der auf vorbestimmtem Pfad zum Flügel schreitet) ist festgelegt.

Crumbs Musik ist dabei geradezu liebevoll auf ästhetischen Klang bedacht: wenn Sopranistin Mojca Erdmann in den Flügel gebeugt singt, um dessen Resonanzraum anzuregen, wenn sich drei Perkussionisten zu sanftem Zusammenspiel um die Marimba versammeln und gesungene Akkorde einstreuen oder wenn sich ein auf kleinem Podest thronendes Spielzeugklavier nicht als bloßer Gag, sondern als musikalisch schlüssige Bereicherung entpuppt. Das ist nie harsch, stets lebendig und präzise musiziert.

Strauss' "Domestica" ist angestammtes Terrain der Philharmoniker. Der Komponist hat hier das häusliche Leben seiner Familie (Frau Pauline, Sohn Franz) zum Inhalt einer aus allen Nähten platzenden programmatischen Tondichtung gemacht. Diese Riesen-Hausmusik, wenn man so will, gehört nicht zu Strauss' konturenreichsten Kompositionen und hat behäbig-selbstzufriedene Momente. Doch wäre Strauss nicht der Orchestermagier, der er ist, hätte er nicht schillernd transparente Klangreduktion und subtilste instrumentale Effekte untergebracht - auch herrliche Kantilenen der Solo-Violine. Die Philharmoniker, ihr Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici und der mit Bedacht von seinem Dirigentenstuhl aus leitende Mehta spielen das in schönem Fluss.

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