Süddeutsche Zeitung

Münchner Philharmoniker:Vertragsverlängerung für Gergiev: politisch falsch, musikalisch richtig

Der Stardirigent unterstützt den russischen Präsidenten Putin bedingungslos und lässt sich für jede Propaganda-Show einspannen. Und trotzdem ist er für München genau der Richtige.

Kommentar von Rita Argauer

Die Stadtratsfraktion der Grünen und der Rosa Liste lehnt die Vertragsverlängerung von Valery Gergiev als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker bis 2025 wegen dessen zweifelhafter Nähe zu Putin ab. Politisch gesehen hat die Fraktion damit Recht. Gergiev unterstützt den russischen Präsidenten bedingungslos und lässt sich von ihm für jede Propaganda-Show einspannen. Diese unreflektierte Haltung passt nicht zum kritisch-demokratischen und weltoffenen Klima, das man sich für München wünscht.

Dennoch wäre es für das Orchester verheerend, würde der Stadtrat an diesem Mittwoch gegen die Vertragsverlängerung stimmen. Nach den Schwierigkeiten unter Christian Thielemann und dem Jahr ohne Chef nach Lorin Maazels Tod, waren dem Orchester die Strapazen anzuhören. Gergiev hat es seit 2015 geschafft, die Musiker kraftvoll und enthusiastisch zu einen. Aber es ist nicht nur wegen eines wieder schön und selbstbewusst musizierenden Orchesters dieser Stadt.

Der Dirigent rief auch das 360°-Festival ins Leben, das am Wochenende zum dritten Mal stattfindet. Die Musik soll dabei als Brückenbauer funktionieren. Sie soll für wirklich alle offen und interessant sein, etwa wenn die Philharmoniker nun in der Muffathalle, am Ort der Popkultur, mit Nachwuchssolisten auftreten. Diese Offenheit der Kunst, die Gergiev hier schafft, ist für eine Stadt nötig.

Aber auch angesichts der bevorstehenden Gasteig-Renovierung ist es notwendig, Gergievs Vertrag zu verlängern. Die Philharmoniker werden in ihrem Ausweichquartier an der Brudermühlstraße viele Jahre improvisieren müssen. Es wäre fatal, das Orchester mit einem neuen Chef in diese Interims-Zeit schicken zu müssen. Gergiev hingegen ist ein guter Partner dafür. Denn auch in der akustisch schwierigen Philharmonie arbeitete er mit dem Orchester an einem neuen, passenden Klang. Wenn er dies genauso im Provisorium in Sendling tut, werden das für die Stadt spannende Jahre.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2018/haeg
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