Münchner Philharmoniker:Lahav Shani wird neuer Chefdirigent

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Lahav Shani will ein Chefdirigent auf Augenhöhe sein. Alexandra Gruber, Klarinettistin und Sprecherin des Orchestervorstands der Münchner Philharmoniker, gratuliert mit Blumen und Umarmung. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Nachfolger von Valery Gergiev, dem wegen seiner Putin-Nähe gekündigt worden war, steht fest: Künftig leitet der Israeli Shani die Philharmoniker.

Von Egbert Tholl

Vielleicht kann man sich so die Zukunft der Münchner Philharmoniker vorstellen: Im Herbst 2026 geben sie ein Konzert in der Isarphilharmonie, spielen erst irgendeine Konzertouvertüre, dann setzt sich der Dirigent Lahav Shani ans Klavier und übernimmt den Solopart in Wolfgang Rihms zweitem Klavierkonzert. Rihm, wegen Aufbruch in neue Gefilde. Nach der Pause folgt eine Brahms-Symphonie, wegen der Tradition. Damit ist aber noch nicht Schluss, denn im Foyer gibt es danach noch eine Late-Night, die Jazzband der Philharmoniker spielt, und Shani steht am Kontrabass. Denn er kann alles: dirigieren, Klavier spielen, Kontrabass.

Jetzt hat er unterschrieben: Lahav Shani wird von der Saison 2026/27 an neuer Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Der öffentliche Vollzug der Unterschrift findet in der zugigen, überakustischen Rathaus-Galerie statt, vermutlich damit es Oberbürgermeister Dieter Reiter nicht so weit hat. Dicke, silberne Würste liegen hier herum, offenbar Kunst, Fotowände beschäftigen sich mit Stadtraumplanung.

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Planung ist auch ein Thema bei diesem Pressetermin, aber weniger die eines Stadtraums als eines Gebäudes. Konkret: Wie geht es mit der desaströs ins Stocken geratenen Planung der Gasteig-Renovierung weiter? Reiter findet, der HP8, also die Isarphilharmonie, sei ein herausragender Konzertsaal, jetzt müsse man schauen, wie es mit noch einem herausragenden Konzertsaal weitergehe. Kulturreferent Anton Biebel spricht von verschiedenen Varianten, die nun bis Herbst durchgegangen werden. Und von ungefähr 2031 (!) als möglichen Fertigstellungstermin - so lange läuft erst einmal Shanis Vertrag. Dieser selbst meint, er kenne den Gasteig, habe die Umbaupläne gesehen, diese seien fantastisch: "Man muss einfach bauen, es soll nicht Fantasie bleiben."

Alle duzen ihn, er ist kein Maestro, kein Diktator, kein Spinner

Zurück zum Konkreten. Dieter Reiter betont die einhellige Begeisterung des Stadtrats ob der Entscheidung, spricht von "einem Meilenstein in der Münchner Kulturgeschichte", ein 34-jähriger Chefdirigent (wenn Shani antritt, wird er 37 sein) bedeute Aufbruchsstimmung, ein Weltklasseorchester werde zu einem noch besseren Weltklasseorchester gemacht, "ein schöner Tag heute". Anton Biebel freut sich über ein "überwältigendes Orchestervotum", Paul Müller, Intendant der Philharmoniker, über das "enorme Entwicklungspotenzial", das der Generationswechsel an der Spitze des Orchesters bedeute. Das Orchester und sein kommender Chef werden sich auf Augenhöhe begegnen, Shani werde auch kammermusikalisch tätig sein, Müller bewundere Shanis "Neugierigkeit" und betont, der Wandel entspreche dem Zeitgeschehen, das Publikum sei auch jünger geworden.

Tatsächlich ist Lahav Shani ein Mensch, den man sofort und umfassend lieb hat. Alle duzen ihn, er ist kein Maestro, kein Diktator, kein Spinner, er ist einer, der Musik machen will. Zusammen mit anderen. Das ist der Wandel, der Generationswechsel, von dem hier oft die Rede ist und der im Kern ein Paradigmenwechsel ist, denn Diktatoren könnten auch jung sein.

Am schönsten beschreibt die Genese der künstlerischen Heirat Alexandra Gruber, Klarinettistin und Sprecherin des Orchestervorstands der Münchner Philharmoniker. Im März 2022 dirigierte Lahav Shani ein von Anne-Sophie Mutter initiiertes Benefizkonzert für die Ukraine, es spielten dabei Mitglieder der drei großen Münchner Orchester.

Hierbei fing nun bei denen, die von den Philharmonikern mit dabei waren, ein Flämmchen an zu brennen, das wuchs, als Shani im September bei den Philharmonikern ein Programm mit Dvořák, Ravel und Berlioz dirigierte. Mit diesem Programm reiste man danach in die Schweiz, gab dort drei Konzerte, und da es leicht ist, sich in der Schweiz zu verlieben, geschah auch genau dies. Gruber: "Die Chemie hat sofort gestimmt." Man musizierte auf Augenhöhe miteinander, da sei eine Symbiose gewesen, "die wir festmachen wollten". Und welches Orchester habe schon einen Chef, der gleich drei Stellen besetzen könne? "Wir gehen voller Freude und offenem Herzen in diese neue Ära."

Die, die man sofort hätte haben können, wollte das Orchester nicht als Chef

Aber es dauert halt noch. Zum Odeonsplatzkonzert Sommer 2024 wird Shani zu den Münchner Philharmonikern zurückkehren, davor geht sich vermutlich nichts aus. Es ehrt den extrem gefragten Dirigenten, dass er nicht wahllos Posten anhäuft. Seit 2020 leitet er das Israel Philharmonic Orchestra in seiner Heimat, daneben noch bis 2026 das Rotterdam Philharmonic Orchestra. Deshalb der Antritt eben 2026. Da muss man halt warten.

Die, die man sofort hätte haben können, wollte das Orchester nicht als Chef. Doch bereits von der Saison 2024/25 an werde Shani eine "substanzielle Präsenz" in München zeigen, so Paul Müller. "Er ist exakt der Mann, den wir für Innovation brauchen", und er werde für eine hohe Identifikation mit der Stadt und deren Bürgergesellschaft sorgen.

Tatsächlich schließt es Lahav Shani nicht aus, doch mit der Familie nach München zu ziehen. Allerdings haben sie sich gerade eine Wohnung in Berlin gekauft, seine Frau macht dort viel Kammermusik, sie spielt Klarinette. Und falls kein Umzug: Die ICE-Verbindung sei ja sehr gut. Ihm selbst, erzählt er im Anschluss an den offiziellen Teil, sei es damals im September mit dem Orchester so gegangen wie diesem mit ihm; er habe sofort den Eindruck gehabt, mit diesen Musikerinnen und Musikern sei alles möglich. Alles heißt natürlich auch die Bruckner- und Mahler-Tradition des Orchesters wahren ("Ich könnte andauernd Mahler dirigieren"), heißt daneben Neues, 20., 21. Jahrhundert. "Ich habe das Gefühl, dass wir einander vertrauen können."

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