Süddeutsche Zeitung

Nachfolger von Valery Gergiev:Lahav Shani wird wohl Chefdirigent der Philharmoniker

Am Mittwoch entscheidet der Münchner Stadtrat über die künftige musikalische Leitung, die Ernennung des jungen israelischen Dirigenten gilt inzwischen aber als sicher.

Von Jutta Czeguhn

Der 34-jährige israelische Dirigent und Pianist Lahav Shani wird aller Voraussicht nach die musikalische Leitung der Münchner Philharmoniker übernehmen. Während in München noch die Gerüchteküche über die Nachfolge Valery Gergievs brodelt und zumindest offiziell niemand diese prominente Personalie bestätigen will, soll Shani selbst seine bevorstehende Berufung nach übereinstimmenden Berichten israelischer und internationaler Medien bereits angekündigt haben.

Und zwar in einem Brief an die Mitglieder des Israel Philharmonic Orchestra, dessen Chefdirigent er ist. Darin heißt es: "Kürzlich wurde bekannt, dass die Münchner Philharmoniker mir angeboten haben, ihr nächster Chefdirigent zu werden. Ich möchte Ihnen bestätigen, dass die Veröffentlichungen korrekt sind. An diesem Mittwoch wird der Münchner Stadtrat darüber abstimmen, dann soll es eine offizielle Bekanntgabe der Berufung geben, die in der Saison 2026/27 in Kraft tritt."

Seitens der Stadt und der Philharmoniker heißt es lediglich, dass die Entscheidung am Mittwoch ansteht. Wie die Süddeutsche Zeitung aus Stadtratskreisen weiß, soll es eine Tischvorlage dazu geben. Christian Beuke, Sprecher der Philharmoniker, wiederum kündigt für Mittwoch, 10 Uhr, eine Pressekonferenz in der Rathausgalerie an. Auch soll es an diesem Tag zur Vertragsunterzeichnung mit dem neuen Chefdirigenten kommen.

Knapp ein Jahr, nachdem Valery Gergiev wegen seiner Nähe zu Putin für das Münchner Orchester untragbar geworden war und seinen Dirigentenstab seither in nationalen Diensten für den russischen Machthaber schwingt, geht die Suche nach einem Nachfolger damit zu Ende. Auch wenn die Münchner sich wohl noch ein paar Jahre gedulden müssen, bis der Neue den Posten auch offiziell antritt.

Für "unkonventionelle Experimente" fehlte offenbar die Courage

Auf das Kandidatenkarussell war Lahav Shani, der in Berlin lebt und von Daniel Barenboim gefördert wurde, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung erst spät aufgesprungen. Andere Namen waren heißer gehandelt worden: unter anderem der Brite Daniel Harding, die Finnen Susanna Mälkki und Klaus Mäkelä, die Litauerin Mirga Gražinytė-Tyla, die Italiener Lorenzo Viotti und Daniele Gatti oder der beim Münchner Publikum überaus beliebte Pole Krzysztof Urbański.

Auch gab es Überlegungen zu "unkonventionellen Experimenten" (Kulturreferent Anton Biebl) wie einer Doppelspitze bei der Orchesterleitung, oder, das Chefdirigenten-Modell als überkommen ganz zu kippen. Doch dazu fehlte am Ende wohl die Courage. Es bleibt also bei einer Orchester-Spitze, und die ist einmal mehr ein Mann.

Immerhin wäre Lahav Shani, 1989 in Tel Aviv geboren, wohl der jüngste Chefdirigent der Münchner Philharmoniker seit mehr als hundert Jahren, nur der Finne Georg Schnéevoigt war ebenfalls in seinen Dreißigern, als er das Orchester (damals noch Kaim-Orchester) von 1905 bis 1908 führte.

Trotz seiner jungen Jahre ist Shani mit den Anforderungen an den Chef eines Spitzenorchesters bestens vertraut. 2018 wurde er zum Leiter des Rotterdam Philharmonic Orchestra berufen, auch dort als jüngster, der diese Position in der Geschichte des Orchesters je innehatte. Wie niederländische Medien berichten, will er diesen Posten bis Ende der Saison 2025/26 weiter ausfüllen.

Festhalten will er allerdings auch an seinem Job als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra. Seit der Saison 2020/21 leitet er als Nachfolger von Zubin Mehta das renommierte Orchester seiner Heimatstadt. In erwähntem Brief an die Orchester-Musiker versichert Shani: "Die Münchner Philharmoniker wissen und freuen sich, dass ich beide Orchester gleichzeitig dirigieren werde, und haben bereits einige Ideen für eine Zusammenarbeit in naher Zukunft eingebracht. Gerne erzähle ich Ihnen mehr darüber, wenn wir uns in Israel sehen."

Spannende Aussichten wären das für das Münchner Publikum, das bislang erst wenig Gelegenheit hatte, Lahav Shani kennenzulernen. Im Januar konnte man ihn im Herkulessal bei einem Konzert am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks erleben. Die Münchner Philharmoniker dirigierte er zuletzt im März 2022 bei einem Benefizkonzert für die Ukraine.

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