Süddeutsche Zeitung

Kritik:Trockner Witz

Frank Peter Zimmermann bei den Münchner Philharmonikern.

Von Harald Eggebrecht

Dass Trockenheit doch sinnlich, dass Distanz doch attraktiv sein kann und dass elegante Kühle nicht mit harter Kälte zu verwechseln ist, macht Igor Strawinskys Violinkonzert von 1931 bestechend klar. Vorausgesetzt es spielt ein so mit allen Wassern der gesamten Violinliteratur gewaschener Geiger wie der große Frank Peter Zimmermann an diesem Abend in der Isarphilharmonie mit den Münchner Philharmonikern unter Leitung des für den erkrankten Mikko Frank eingesprungenen Dirigenten Dima Slobodeniouk. Dann blitzt und prickelt es, dann entsteht in den besten Momenten bei diesem rhythmisch so vielfältigen und trickreichen Stück das, was Strawinsky mit "Champagner extra dry" bezeichnet hat als Ziel seiner damaligen musikalischen Ausrichtung.

Acht Bläser der Münchner Philharmoniker boten zuvor Strawinskys Oktett von 1923, ein Pilotwerk des Neoklassizismus, schräg, frech und staubfrei, dabei genau ausbalanciert. Weil Strawinsky selbst dieses Stück einst dirigierte, hat es hier auch Slobodeniouk beweglich geleitet. So war das Publikum gut vorbereitet auf das Violinkonzert, das alles vermeidet, was man sich sonst von einem Virtuosenauftritt erwartet: Nichts Bekennerhaftes, keine romantisch-süßen Kantilenen, keine Ausdrucksrubati, keine exhibitionistische Ausstellung von Geigenartistik in Kadenzen, sondern luftige, elastische Concerto-grosso-Stimmung und ständige Dialogwachsamkeit und -bereitschaft der Beteiligten. Das braucht präzise Abstimmung und Probenzeit, die wohl für die Anfangs-Toccata allzu knapp ausgefallen sein mag. Dennoch entwickelten die beiden Aria-Sätze ihre unverwechselbare Poesie dank Zimmermanns großartiger Geigenkunst. Und das Capriccio-Finale stürmte so vergnügt wie gewitzt dahin. Brausender Beifall und als Zugabe die g-moll Fuge aus Bachs 1. Violinsolosonate so rasch und strawinsky-haft kühl, dass nur fasziniertes Staunen blieb.

Nach der Pause trieb Dima Slobodeniouk Robert Schumanns 4. Symphonie gewissermaßen im geschmeidigen Eilschritt vor sich her. Das hatte was, ohne aber die Seele und das Herz des vielschichtigen Stücks ganz zu treffen.

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