Klassische Musik:Was passiert, wenn ein Dirigent zeitweise die Flügel hängen lässt

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Die Münchner Philharmoniker unter Tugan Sokhiev mit Tenor Andreas Schager und die Mezzosopranistin Ekaterina Gubanova. So war der Abend in der Isarphilharmonie.

Von Andreas Pernpeintner

In diesem Konzert der Münchner Philharmoniker in der Isarphilharmonie wird der Symphonie-Begriff gleich zweimal an seine Grenzen geführt. Mit Schostakowitschs Neunter und mit Mahlers "Das Lied von der Erde", seiner Symphonie für zwei Singstimmen und Orchester.

Für seine Neunte fährt Schostakowitsch eine Riesenbesetzung auf. Aber deren Klang ist eben nicht riesig; das Werk ist Symphonie und Persiflage zugleich. Neckisch stolziert der erste Satz daher, als Karikatur des Militärischen und wie um den podiumfüllenden Orchesterapparat ad absurdum zu führen.

Die Melodik der langsamen Sätze ist zum Teil geradezu karg auf wenige Akteure reduziert. Schade, dass Dirigent Tugan Sokhiev dabei seine Aufgabe oft nicht im Dirigentischen sieht. Er wirkt zwar dem Orchester zugewandt, als formte er die Musik ohne Distanz - manchmal tut er das. Manchmal tut er aber auch nichts, steht regungslos mit hängenden Armen, wackelt an schelmisch klingenden Stellen mit dem Kopf.

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Als Choreographie ist das hübsch. Dass aber das Pizzikato im zweiten Satz bröselt und auch andernorts nicht alles beisammen ist, darf da nicht verwundern; auch ein Spitzenorchester braucht rhythmische Führung und kann nicht alles aus eigener Kraft lösen. Das gelingt den Philharmonikern ohnehin beachtlich, etwa durch herrlich spielende Holzbläser: prächtig der Beginn des Prestos, hervorragend das Fagottsolo im Largo.

Sehr schön sind auch im "Lied von der Erde" jene Einzellieder, die Mezzosopranistin Ekaterina Gubanova singt. Die anderen singt Tenor Andreas Schager. (Sehr laut.) Gubanovas Einfühlungsvermögen in die Texte ("Die chinesische Flöte"), in deren Schwermut sich Mahler wiederfand, ist wundervoll. Vor allem beim letzten Lied, "Der Abschied", das in seiner jenseitigen Ausdehnung den Unterschied zwischen Liederzyklus und liedhafter Symphonie ausmacht, ist es ein Erlebnis, wie ihre ruhige Gestaltung und der feinsinnig gefärbte Orchestersatz Hand in Hand gehen.

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