Entscheidung über Olympia 2022:Eigenwilliges IOC

Bürgerentscheid Olympiabewerbung 2022

Gemeinsam mit Garmisch-Partenkirchen (von links oben nach rechts unten), Traunstein und Ruhpolding will sich München um die Winterspiele 2022 bewerben.

(Foto: dpa)

Sollten die Bürger heute für Münchens Olympiabewerbung stimmen, fängt der eigentliche Wahlkampf erst an. Denn dann muss das IOC überzeugt werden - und das entscheidet nach recht eigenwilligen Kriterien, wie München schon erlebt hat. Die Frage ist vor allem: Was will IOC-Chef Bach?

Von Thomas Kistner

Sollte die Wahl glücklich ausgehen für Münchens Winterspiel-Befürworter, fängt der Wahlkampf erst an. Es sind ja nicht feierselige Bürger, medaillenhungrige Sportler oder ums nationale Prestige bemühte Politiker, die über die Spielevergabe befinden, sondern die gut 100 Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Sie allein gilt es zu überzeugen von Münchens Strahlkraft und anderen Vorzügen. Dabei entscheidet das IOC nach recht eigenwilligen Kriterien, wie München vor zwei Jahren erlebte. Da scheiterte die Bewerbung 2018, und zwar schon in Runde eins schockierend deutlich gegen Pyeongchang.

Dabei hatte Deutschland mit Thomas Bach, damals schon zweiter Mann im Olymp hinter IOC-Präsident Jacques Rogge (dem er im Herbst auf den Thron folgte), einen Fürsprecher, wie man ihn sich nicht hätte basteln können. Wurde auch Bach vom Votum der Kollegen überrollt? Oder wie sonst war es möglich, dass die Münchner bis zu dem Moment, da 2011 in Durban das Kuvert geöffnet wurde, an ein enges Finale geglaubt hatten?

Es war nie eng, verrieten danach viele IOC-Leute, die Münchens Bemühen stets gelobt hatten: Pyeongchangs Sieg habe immer festgestanden. Wäre also die Bewerbung nicht besser umkonzipiert worden, als die Südkoreaner ihren dritten Anlauf verkündeten?

Zweimal Deutschland hätte es nie gegeben

Dass das nicht geschah, liegt an den Feinheiten der olympischen Politik. Eine fachliche Expertise hätte erbracht, dass 2018 zwar an Südkorea vergeben, der Sommer 2020 aber günstig ausschaut. Wie günstig, das war im Herbst 2013 bei der Vergabe zu sehen: Unter drei angeknockten Finalisten Madrid (Finanzen), Istanbul (Politik) und Tokio (Fukushima) erwählte das IOC emotionslos die Japaner.

Ein krisenfester deutscher Kandidat, Berlin oder Hamburg, hätte siegen können, zumal Ostasien ja gerade erst die Spiele 2018 erhalten hatte. Nur hätte das mit Bachs Karriereziel kontrastiert: Bei der IOC-Session im September in Argentinien wurde auch über den IOC-Präsidenten entschieden. Zweimal Deutschland, das hätte es nie gegeben.

Nun soll wieder München ran. Wobei es wenig hilft, erneut die sportpolitische Konstellation auszublenden und die Debatte auf Kosten-Nutzen-Fragen zu reduzieren. In der Realität hätte München zwei Hürden zu nehmen. Da ist erneut der Faktor Bach: Der Mann ist ja nun IOC-Chef, und eine deutsche Bewerbung, ein deutscher Spiele-Veranstalter gar, wäre pikant für den Funktionär, der seit 2006 den nationalen Sport führte und vier nationale Bewerbungen aus nächster Nähe scheitern sah.

Zu Amtsbeginn ein Heimatprojekt?

Was will Bach? Will der neue deutsche IOC-Chef als erste Amtshandlung 2015 einen deutschen Olympiaort verkünden? Mag er sich zu Amtsbeginn gleich ein Heimatprojekt aufbürden, das ihn fast die ganze Amtszeit verfolgt? Bach ist für acht Jahre gewählt, darf einmal um vier Jahre verlängern; er hat also bis 2025 Zeit.

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(Foto: dpa)

Erst 2022 wären die Münchner Spiele, die er ohne jede Sympathie begleiten müsste. Wären da nicht deutsche Sommerspiele 2028 oder 2032 verlockender? Die werden erst 2021 vergeben, im Zenit der Ägide Bach. Oder 2025: Gäbe es ein passenderes Abschiedsgeschenk für den scheidenden Ringe-Chef, der bis dahin womöglich viele ihm verbundene Mitglieder berufen hat?

Hürde zwei: Die Wintersport-Lobby im IOC lässt erstaunlich offen erkennen, dass sie zu Bewerber Oslo tendiert. Die legendäre Großschanze am Holmenkollen und das märchenhafte Lillehammer hatten schon die Spiele 1994 geprägt, "davon schwärmen noch heute Leute, die gar nicht dabei waren", sagt Gianfranco Kasper, Chef des Ski-Weltverbands Fis.

Kasper sitzt im IOC, zählt zu den wichtigsten Juroren. "In meinen Augen", sagt er, "wäre Oslo stärkster Kandidat." Und er weist darauf hin, dass der Einfluss der Winterverbände besonders groß sei - viele IOC-Leute hätten kein Interesse an Winterspielen. "Gut für uns", da könne man mehr Einfluss ausüben.

Um 2022 kämpft Kasper bereits - gegen den Weltverband Fifa, der auch seine Fußball-WM in Katar in jenen Winter verlegen will. Käme es dazu, würde 2022 eher Schattenspiele erleben. Die große weite Welt schaut lieber Fußball.

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