Münchner Nachtleben:Wie die Milchbar zu ihrem Namen kam

Münchner Nachtleben: Jakob (links) und Florian Faltenbacher in der fast fertigen neuen Milchbar.

Jakob (links) und Florian Faltenbacher in der fast fertigen neuen Milchbar.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Milchbar zieht um, mal wieder. Seit sie im Kunstpark Ost anfingen, prägen die Betreiber-Brüder Faltenbacher das Nachtleben - doch die wenigsten wissen, was der bekannte Club mit Milch zu tun hat und warum Thomas Gottschalk an allem schuld ist.

Von Florian Fuchs

Es gibt diese Geschichten, die klingen so überzeugend und irgendwie logisch, dass eine Generation sie der nächsten erzählt, und die dann der nach ihr - und deshalb glaubt sie heute immer noch fast jeder. Milchbar, der Name, das ist so ein Fall.

Vielleicht ist der Name des Klubs in der Sonnenstraße sogar das größte Missverständnis im Münchner Nachtbetrieb. Milchbar, Stanley Kubrick, Clockwork Orange - klar. Das ist so ungefähr der Grundgedanke der meisten Gäste. Ist aber überhaupt nicht klar. "Hat nichts damit zu tun", sagt Jakob Faltenbacher.

Das Geheimnis eines guten Clubs

Der Mann mit den schulterlangen Haaren steht neben seinem Bruder Florian, der ein bisschen bärtiger daherkommt, auf einer Baustelle in einer Passage nahe dem Sendlinger Tor. Hier, Hausnummer 27, wo 1961 mit dem Scotch-Casino angeblich die erste Diskothek Münchens aufmachte, eröffnen die Brüder Faltenbacher am 19. April ihre neue Milchbar.

Sie wird gegenüber des alten Standorts liegen, wo sich bald der frühere Sportmoderator Lambert Dinzinger zusammen mit seinem Sohn als Gastronom versuchen will, und ein paar Blöcke weiter in Richtung Müllerstraße. Noch ist es ziemlich staubig in dem Raum, in dem bald die Tanzfläche sein soll. Sie wird größer sein als im alten Klub. Rechts vom Eingang steht eine Bar, links wird noch eine eingebaut, gegenüber soll der DJ auflegen. Es sind ein paar Fragen zu klären, da stört das ganze Geflexe, Gebohre und Gehämmere, also geht es rüber zum Italiener.

Die Fragen sind: Wieso dieser Umzug, wo die alte Milchbar, einer der bekanntesten Klubs der Stadt, doch gut lief? Was treibt zwei Brüder an, immer wieder neue Projekte in München anzustoßen und dabei grandiose Pleiten hinzulegen, aber eben auch Marken zu etablieren, die in jedem Reiseführer stehen? Was ist das Geheimnis eines guten Klubs, und wie kommt man überhaupt dazu, einen hochzuziehen? Und wie lange hüpft man eigentlich als Betreiber noch in Diskotheken herum, mit nun auch schon Anfang Vierzig?

Mit Mamas Geld am Ostbahnhof

"Hätten wir immer nur die Milchbar gemacht, hätten wir sehr, sehr viel Geld", sagen die Brüder, die natürlich trotzdem recht passabel dastehen. Jakob und Florian Faltenbacher haben aber nicht nur die Milchbar gemacht, und deshalb gehören sie zu den prägenden Figuren im Barbetrieb dieser Stadt. Warum das so ist, warum heute wohl jeder, der ausgeht in München, schon einmal in einem Laden stand, an dem die Faltenbachers zumindest beteiligt waren, das erklärt zu einem Teil eben jene Geschichte, wie die Milchbar wirklich zu ihrem Namen gekommen ist.

Es war 1997, die Brüder waren Mitte Zwanzig, und sie verdienten sich ihr Geld, indem sie für viele Klubs Werbung plakatierten. Als sie mit ihrem Panda mal wieder durch den Kunstpark rollten und die Plakate abholten, lief ihnen Wolfgang Nöth über den Weg, der Vermieter. Da haben sie es einfach getan. "Wolfgang", haben sie gerufen und die Fenster runtergekurbelt, "hast du nicht auch was für uns, so was kleines, irgendeine Bude?"

Damit hatten sie wohl einen Nerv getroffen. "Der hat uns sofort aus der Karre gezogen", erzählt Florian. Es war nämlich so, damals am Ostbahnhof: KW, Ultraschall, Babylon, nur große Hallen standen herum, sonst gab es fast nichts. "Und was wollt ihr hier machen", hat Wolfgang Nöth also gefragt, und das war jetzt ein Problem. "Das wussten wir doch auch nicht", sagt Jakob. Musikalisch war nichts mehr zu holen: House im KW, Techno im Ultraschall, jede Nische schon besetzt. Also haben sie den erstbesten Quatsch erzählt, der ihnen eingefallen ist: "Milch verkaufen halt."

Die Milchshakes liefen nicht so gut

So ist es dann tatsächlich gekommen, auch wenn sie die Eismaschine nach einem halben Jahr wieder weggegeben und den Verkauf von Milchshakes eingestellt haben. "Das hat ja keinen interessiert", sagt Jakob. Sie haben einfach gemacht, und das klingt jetzt unbeschwerter, als es war: 50 000 Mark von der Mama leihen, damit eine Bar hochziehen, so ein Risiko muss man erst mal eingehen. Aber es lief, und es war lustig: Die Milchbar machte sich einen Namen, weil sie als erste aufsperrte und als letzte wieder zumachte.

Manchmal waren Florian und Jakob schon auf dem Weg zu ihren Autos, da kamen noch fünf Leute. "Dann haben wir wieder aufgesperrt." So etwas trägt zum Image bei, den Rest erledigte ein Parkplatzwächter, den sie als Türsteher anstellten. Der hat dermaßen ausgesiebt, ohne dass es die Faltenbachers drinnen an der Bar mitgekriegt hätten, dass die Milchbar interessant wurde. Wo wenige rein dürfen, wollen eben immer alle rein - die Psychologie des Nachtlebens.

Sie haben also einfach gemacht, auch spontan und aus dem Bauch heraus. Und sie haben sich getraut. Und so halten sie es auch heute noch, auch wenn das Risiko natürlich viel geringer ist. Sie haben ja jetzt die Kohle. Es darf also mal was schiefgehen, wie damals beim Freibad in Gauting, wo sie die Gastronomie übernahmen. "Unsere größte Pleite", sagt Jakob. "Aber die vier Partys, die wir dort gemacht haben, inklusive Hochzeit unserer Schwester, die waren super", sagt Florian und grinst.

Thomas Gottschalk und "Pop nach acht"

Und das ist nun der zweite Grund, warum sie es nicht bei der Milchbar belassen haben. Sie haben einfach Spaß an dem Job, auch wenn mal was nicht funktioniert. Gerade für Florian Faltenbacher ist es so etwas wie ein Kindheitstraum, Klubbetreiber zu sein. "Da ist ein bisschen Thomas Gottschalk schuld", sagt er. "Pop nach acht" im Bayerischen Rundfunk hat er sich schon als Neunjähriger bis Mitternacht heimlich angehört. "Deshalb wusste ich schon in dem Alter, dass ich mal eine Disco machen will. Nur war die riesengroß und hatte Hängebrücken."

Zu einer Spielplatz-Disco ist es bis jetzt doch nicht gekommen, aber die Brüder haben sich trotzdem ausgetobt: Der Garden in der Lindwurmstraße, die Drei Türme auf dem Optimol-Gelände. Starskys, Raum 8, Marktwirtschaft, Spiegelzelt. Irgendwann haben sie die Klubs im Halbjahresrhythmus aufgemacht, an bis zu sechs Projekten waren sie gleichzeitig beteiligt.

Und deshalb wissen sie jetzt auch, worauf es ankommt: Einen Klub im Sommer zu öffnen, wie die Elli Disco damals, das machen sie nicht mehr. "Wenn es warm ist, haben die Leute andere Freizeitmöglichkeiten." Ein Klub braucht irgendwas Besonderes, ein Image. Und dann, wenn es läuft, muss er sich immer wieder erneuern, ohne diese Merkmale kaputt zu machen.

Die älteren Experten in Münchens Nachtbetrieb

Die Milchbar zum Beispiel hat rotes Licht, lange offen und höchstens vor der Toilette Stühle. So haben sie es bei all ihren Umzügen auf das Optimol-Gelände und an die Sonnenstraße gehalten, und so wird es auch jetzt bleiben. Aber sie werden ein paar neue Dinge probieren. "So etwas braucht ein Klub regelmäßig, sonst kann es so gut laufen wie es will: Sonst ist er irgendwann tot." Es wird also nun etwas passieren mit den Getränken, der Herrentoilette und der Technik über der Tanzfläche. "Mehr wollen wir noch nicht verraten, die Leute sollen den Klub selbst entdecken", sagt Florian. Auch das haben sie gelernt.

Die Brüder Faltenbacher haben wild angefangen, aus Fehlern gelernt und sind nun so etwas wie Experten für Münchens Nachtbetrieb. Sie mischen sich deshalb auch öffentlich ein, etwa wenn es Diskussionen über die Sicherheit an der Sonnenstraße gibt. Sie sind älter geworden, haben Kinder, und deshalb springen sie eigentlich gar nicht mehr nachts in den Klubs rum. Nur Florian ist ab und zu unterwegs, um nach dem Rechten zu sehen. "Zehn Jahre ", sagt er. "Dann ist Schluss. Irgendwann können wir 21-Jährigen nicht mehr erzählen, wie man Party macht."

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