Münchner Muslime feiern Ramadan:Fasten und Feiern

Die muslimischen Verbände zelebrieren den Ramadan zum ersten Mal in größerem Rahmen und zeigen sich dabei gesellschaftlich offen.

Monika Maier-Albang

Ramadan ist Dattelzeit. In Großpackungen abgefüllt liegen die Früchte momentan in türkischen Lebensmittelgeschäften - ist doch die Dattel traditionell die erste Speise, die ein gläubiger Muslim beim Fastenbrechen zu sich nimmt.

Manche greifen auch zur Olive, aber Mahmoud Almashayekh vom Muslimrat ist die Dattel-Variante lieber. Schließlich, sagt er, enthalte die Frucht "viele Nährstoffe", der Koran kenne mehrere Geschichten, die von der Jungfrau Maria und der Dattelpalme handeln und - auch nicht zu verachten - die Dattel schmeckt lecker. Zumal wenn man den ganzen Tag nichts gegessen hat.

Das Essen zum Fastenbrechen, "Iftar" genannt, nehmen Muslime nicht nur zuhause mit der Familie oder mit Freunden ein. In der Türkei ist es üblich, dass Firmen ihre Belegschaft und Geschäftspartner in teure Restaurants einladen; an vielen öffentlichen Plätzen stehen Zelte, in denen jeder, der vorbeikommt, verköstigt wird.

Etwas vergleichbar Großes zu organisieren, dazu fehlen den muslimischen Verbänden in München die Mittel. Und doch wird auch hier Iftar zunehmend zu einem öffentlichen Fest, zu dem die Verbände Politiker, Journalisten oder Nachbarn einladen.

"Aktiver auf die Mehrheitsgesellschaft zugehen"

Ein Phänomen, das Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen bundesweit beobachtet und sich so erklärt: Früher hatten die muslimischen Verbände weniger Kontakte, die sie pflegen konnten. Inzwischen aber "gehen sie aktiver auf die Mehrheitsgesellschaft zu". Und erst seit kurzem hat man auch Räume, in die man einladen will.

In München machte vergangene Woche der Muslimrat den Anfang. Am Samstag folgte "ditim" in der Schanzenbachstraße, der Verband, der in Sendling eine neue Moschee bauen möchte. Wobei Vorstand Mehmet Curuk an diesem Abend nur ungern darüber spricht. "Das soll ja ein fröhliches Fest sein."

Am Donnerstag folgt Idizem, das "Interkulturelle Dialogzentrum in München", mit seiner Iftar-Einladung - zum ersten Mal richtig groß: 250 Gäste sind ins Alte Rathaus geladen. Das Fest, sagt Mehmed Celik von Idizem, sei zwar ein religiöses, doch zugleich auch eine Gelegenheit für ein "Dankeschön an unsere Unterstützer". Und zum Kontakte knüpfen, versteht sich.

Das amerikanische Generalkonsulat hat dies erkannt und bittet gleich selbst zum Iftar-Essen. Dass Nicht-Muslime zu einem muslimischen Fest einladen sei zwar "ungewöhnlich", sagt Celik. In den USA aber hat es bereits Tradition. Vor zehn Jahren lud Präsident Bill Clinton erstmals Muslime zum Fastenbrechen ins Weiße Haus ein. In München bittet Generalkonsul Eric Nelson zum dritten Mal zum Iftar-Essen. Dies sei eine gute Möglichkeit zum "Netzwerken", erklärt Konsulin Patricia Guy. Und wohl auch zur Imagepflege.

Neben dem Iftar-Essen für ausgewählte Muslime und Politiker lädt das Generalkonsulat am heutigen Dienstagabend in Penzberg gemeinsam mit dem dortigen Imam Benjamin Idriz zum Fastenbrechen. Eingeladen sind Teilnehmer von Erkundungsreisen, die die USA zum Thema Integration anbieten.

Die Penzberger Gemeinde selbst organisiert drei weitere Iftar: das größte am Tag der offenen Moschee am 3. Oktober. Jedes Iftar ist mit viel Arbeit verbunden. "Vor allem für die Frauen", sagt Idriz. Die nämlich backen und kochen tagelang, obwohl sie selbst fasten. Idizem in München indes hat einen Koch gefunden, der kostenlos im Alten Rathaus auftischt.

Morgendämmerung auf die Minute

Gereicht wird üblicherweise mehr als reichlich. Wobei es keine vorgeschriebenen Speisen gibt. Vorgegeben ist nur der Zeitpunkt des Fastenbrechens. Jeder Verband gibt dabei für seine Mitglieder eine Tabelle heraus, auf der für jeden größeren Ort in Deutschland die Zeit der Morgen- und Abenddämmerung auf die Minute genau nachzulesen ist.

Wie aber schafft man so ein langes Fasten? "Mit Willenskraft", sagt Mahmoud Almashayekh. Aber auch das nur wegen der "besonderen Atmosphäre" des Ramadan, in der er versuche, "Allah näher zu kommen". Was sich Almashayekh hingegen nicht vornimmt, ist abzunehmen. Dazu gibt es im Ramadan zu gutes Essen bei zu vielen Einladungen.

Ramadan ist immer im neunten Monat des islamischen Mondkalenders, in diesem Jahr vom 13. September bis zum 11. Oktober. 2010 fällt die Fastenzeit in den August, wo die Tage länger und heißer und die Herausforderungen folglich noch größer sein werden. Trotz der Anstrengung aber fasten erstaunlich viele Muslime auch in Deutschland, wo der soziale Druck geringer ist als in muslimischen Staaten.

74 Prozent sind es laut einer Umfrage des Zentrums für Türkeistudien. Von denselben Befragten gab nur ein Drittel an, es mit dem Freitagsgebet ebenso genau zu nehmen. Yunus Ulusoy vergleicht dieses Phänomen mit Weihnachten. "Das feiern auch Menschen, die nicht religiös sind. Einfach, weil man es schon als Kind mitbekommen hat."

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