Münchner Momente:Wegweisende Wahlplakate

Das Smartphone ist inzwischen unerlässlich für die Orientierung - und die Unterhaltung. Nur in Zeiten von Wahlplakaten ist das anders

Von Melanie Staudinger

In München dauert der Wahlkampf länger als anderswo. Seit dem Frühsommer dürfen die Kandidaten ihre fröhlichen Gesichter und Wahlsprüche an den Straßenrändern präsentieren. Viele verschiedene Plakate säumten das Stadtbild. Längst scannt man seine Umgebung automatisch nach neuen Motiven ab, sobald man seine Wohnung verlassen hat - immer in der Hoffnung, sie mögen noch besser sein als die alten. "Politik mit Neuwagengeruch", "Du willst es? Dann wähl es", "Bayern verpflichtet. Echt Spaenle" oder "Alle reden über Sex, wir über sechs Prozent" - eine solche Lyrik darf durchaus als Streetart gelten. Und die will der Stadtrat ohnehin mehr fördern, wie er jüngst beschlossen hat.

Die Sache mit dieser Straßenkunst aber ist jetzt erst mal wieder vorbei. Die Landtagswahl ist Geschichte. Es ist nicht nur so, dass man die bunte Kleberei nur zum Zeitvertreib genossen hat. Die Wahlplakate haben einem auch die Orientierung immens erleichtert. Im Westen zum Beispiel ist nun endlich bekannt, wo Pasing aufhört und die Blumenau anfängt - nämlich genau da, wo die Plakate von Münchens Zweitem Bürgermeister Josef Schmid denen von Digitalminister Georg Eisenreich entgegenlachen. Wer von dort aus weiter wandert, kommt ins Territorium der Grünen Ludwig Hartmann (Schwanthalerhöhe), ins SPD-Land von Isabell Zacharias (Altstadt) und schließlich bis nach Giesing ins Viertel von Michael Piazolo von den Freien Wählern.

Das alles kann man sich viel besser merken als die Namen von gesichtslosen Kreuzungen und Straßen. Nun beginnt also wieder die Zeit der Orientierungslosigkeit, in der man sein Smartphone braucht, wenn man sich verlaufen hat. Aber es gibt Hoffnung: In 223 Tagen findet die Europawahl statt. Die Plakate werden einem dann mangels Stimmkreise zwar nicht den Weg weisen, aber einen immerhin unterhalten. Bestimmt.

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