Münchner Momente:Verpasstes Knöllchen-frei

Lesen bildet. Und hätte man rechtzeitig in die Rathaus Umschau reingeschaut, dann hätte Lesen auch die Parkplatzsuche erspart

Glosse von Karl Forster

Lesen bildet. Manchmal ist die durchs Lesen gewonnene Bildung sogar lustig und unterhaltsam. Davon lebt, unter anderem, die Zeitung. So weit, so binsenweisheitig. Weil nun die Behörden einer Stadt wie München möchten, dass ihre Bürger auch mitbekommen, zu welch großartigen Leistungen sie imstande sind, gibt es seit ungefähr der Stadtgründung anno 1158 die Rathaus Umschau. In der werden dann die Heldentaten zum Beispiel des Kreisverwaltungsreferats vor allem mit der bekannt perfekt funktionierenden Ausländerabteilung kundgetan. Früher geschah das auf gelben Papier, heute natürlich per Internet, was ja, denkt man an die behördenseits immer noch beliebte Nachrichtenvermittlung mittels Fax, schon für sich eine Heldenaktion darstellt.

In der Rathaus Umschau vom 15. März nun war ein Absatz einem Umstand geschuldet, von dem man leider nicht wusste, dass es ihn überhaupt gegeben hat. Weil man es versäumt hat, am 16. Dezember vergangenen Jahres oder drum herum die damalige Rathaus Umschau zur Kenntnis zu nehmen. Da war vermerkt worden, dass man im Zuge des aktuell herrschenden Katastrophenfalls "die Überwachung des ruhenden Verkehrs ... auf schwerwiegende Verstöße" beschränke. Und dass man eben diese Beschränkung von nun an wieder aufhebe.

Warum stand das nicht in der Zeitung damals? Welche Mühen hätte man sich ersparen können! Statt über Stunden das eigene Habitat fluchend auf der Suche nach einem regulären Parkplatz zu umkreisen, hätte man das Gefährt problemlos und strafzettelfrei vor einem jener unsinnigen Park- oder Halteverbotsschilder fallen lassen können, wie sie zu Dutzenden im Viertel herumstehen. Man hätte den einen erlaubten Besucher, statt ihn in die Corona-verseuchte U-Bahn zu zwingen, mit eigenem Wagen vorfahren lassen können in der Gewissheit, dass ihm keine Knöllchen-Beauftragte die Frontscheibe schmückt.

Doch ach, nun ist es zu spät. Die Kommunale Verkehrsüberwachung will auf Veranlassung des "Stabs für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) Schritt für Schritt" (haha, wie auch sonst? Mit dem Radl vielleicht?) ihre Aufgabe wieder intensivieren. Die Schonfrist ist vorbei, zumindest bis zur nächsten Welle.

Die Abkürzung SAE steht übrigens auch für "Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie", auf gut Deutsch: Demenz. Das ist hoffentlich kein schlechtes Karma für Münchens "Stab für außergewöhnliche Ereignisse".

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