Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Touristenslalom an der Isar

Viele Münchner freuen sich über neugierige Besucher aus anderen Städten, mancherorts aber stellen die eine echte Herausforderung dar

Kolumne von David Pfeifer

Die Münchnerin als solche oder der Münchner als solcher, zumal wenn sie oder er nicht erst vor wenigen Momenten zugezogen, sondern hier aufgewachsen sind, freuen sich über Touristen. Weil es nie schaden kann, wenn die Welt erfährt, wie schön es hier ist. Wenn noch eine schwärmt, von der Isar und den Biergärten, wenn ein weiterer New Yorker, Tokioter oder Londoner zu Hause berichtet, dass es günstig aber gleichzeitig irre pittoresk und grün ist, dieses putzige Städtchen in Bayern.

Nun ist es so, dass ein Münchner, wenn er beispielsweise in Sendling aufgewachsen ist und dann in die Au, an die erwähnte Isar gezogen ist, gelegentlich mal den Eindruck haben kann, in Venedig oder Salzburg zu leben, wenn er beim Joggen an der Muffathalle vorbei so etwas wie Pylonenlauf veranstalten muss. Es ist normal schon schwierig, rechtzeitig vor den Fahrradfahrern wegzuspringen und dabei nicht in einen Kinderwagen zu stolpern. Aber wenn dann auch noch Touristen dazu kommen, die entweder Sehenswürdigkeiten oder ihr Smartphone anstarren, wird es zum End-Level eines Videospiels, in dem Zombies und schnell entgegenkommende Gegenstände gleichzeitig zu überwinden sind.

Nun wird es Herbst, auch wenn München, wie üblich um diese Jahreszeit so tut, als sei noch Spätsommer, was man daran merkt, dass die Einheimischen an der Isar noch im T-Shirt herumlaufen, während die Touristen zuweilen schon leichte Daunenjacken tragen, wie man sie aus Italien im Spätsommer kennt. Die Tage werden kürzer, man kann also nicht mehr um sechs Uhr zum Laufen gehen, es sei denn, man möchte das mit Stirnlampe tun, die nicht jeder und jedem steht.

Aber es kann eigentlich nur noch etwa zwei Wochen dauern, bis es so kalt wird, dass man den Weg von der Ludwigsbrücke bis zum Englischen Garten nur noch mit Fahrradfahrerinnen und Hundebesitzern teilen muss, bis man also selber mal wieder den Blick ins Weite schweifen lassen kann, auf die Isar-Wehre, den Ententeich, das Thomas-Mann-Haus. Und sich freut, dass man nicht in Tokio, New York oder London joggen gehen muss. Der Münchner als solcher mag also Touristen besonders gerne, wenn sie wieder fort sind.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2019
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