Münchner Momente:Süßes für den OB

Die letzte Stadtratssitzung vor der Sommerpause ist immer eine besondere und oft von einiger Anspannung geprägt. Dieses Mal aber verläuft sie überraschend

Glosse von Heiner Effern

Dass Stadtpolitik harte Arbeit bedeutet, das beweist meist die letzte Sitzung vor der Sommerpause. In den vergangenen Jahren musste in der Regel vor den Sommerferien so viel wegentschieden werden, dass die Stadträtinnen und Stadträte schon mal zwölf Stunden oder mehr tagten. Auch diesmal sah das Programm dicht gepackt aus. So dicht, dass das Direktorium sogar vorsorglich zwei Tage veranschlagte. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wird in solchen Veranstaltungen gerne von einer ihm eigenen Sitzungeritis befallen, die sich dadurch äußert, dass er blendend gelaunt startet, sich dann aber seine Stimmung mit jeder aus seiner Sicht unnötig zähen Debatte eintrübt. Das klassische Symptom sind zunehmend sarkastische bis bissige Kommentare zum Geschehen vor seinem Podium.

Doch diesmal kam alles anders, obwohl die Stadträte sehr redefreudig in den Sitzungstag starteten. Reiter blieb zumindest äußerlich völlig gelassen, möglicherweise war der OB schon milde gestimmt, weil er wie viele andere Münchner in dieser letzten Juli-Woche dachte: Da muss ich noch durch, dann geht es in den Urlaub. Deshalb zog er zur Mittagspause, in der er das städtische Programm "Sommer in der Stadt" hätte eröffnen sollen, jedenfalls die Notbremse. Seine Begeisterung für diesen Termin gehe "gegen null" verkündete er. "Ich hab vor, in ein paar Tagen in den Urlaub zu fahren und möchte mich ungern einen Stunde draußen in den Regen stellen." Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) müsse ran, "das ist sein Schicksal als Lohn und Brotempfänger". Nun weiß man nicht so genau, ob die selbst verordnete Schonung vor dem "Schnürlregen" die richtige Vorbereitung war. Möglicherweise hätte sich Reiter mit einer Stunde im Regen ideal für sein Reiseziel an der Ostsee akklimatisiert.

Doch die CSU, sechs Jahre lang sein Regierungspartner, nun die stärkste Oppositionskraft, nahm es ihm nicht übel, dass er ihren Wirtschaftsreferenten ins Nasswetter hinausjagte. Stadträtin Ulrike Grimm brachte dem OB von der Eröffnung sogar "etwas Süßes aus Zucker" in die Sitzung mit, weil er sich ja schonen musste. "Wow danke, das ist aber sehr nett", sagte Reiter. "Das wird meine Laune oben halten." Und etwas verblüfft über sich selbst fügte er hinzu. "Heute ist sie eh überraschend gut." So blieb sie auch. Die Stadträte dankten es ihm auf ihre Weise. Sie peitschten ohne großen Debatten am Nachmittag das Programm komplett durch und belohnten sich und den OB mit einem zusätzlichen Urlaubstag. Beste Voraussetzungen also, dass die Stimmung im Stadtrat auch nach sechs Wochen Politferien oben bleibt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: