Münchner Momente:Streik am Rasenmäher

Als Folge von "Fridays for Future" muss nicht gleich der Klimanotstand wie in Konstanz ausgerufen werden. In München lassen sich die Konsequenzen am Zustand des Rasens in den Einfamilienhausgärten beobachten

Kolumne Von Stephan Handel

Als Beleg dafür, dass die in jeder Hinsicht lobens- und unterstützenswerten "Friday for Future"-Demos langsam Wirkung zeigen, wird angeführt, dass Konstanz als erste Stadt in Deutschland beschlossen hat, all ihre Maßnahmen auch auf ihre Klimarelevanz zu überprüfen, was die Stadt in das nur leicht alarmistische Schlagwort vom "Klimanotstand" gefasst hat. In München hingegen lässt sich der Erfolg des politisch motivierten Fernbleibens vom Unterricht an anderer Stelle beobachten - nämlich am Zustand des Rasens in den Einfamilienhausgärten.

Dieser musste bislang, so will es die Charta der Einfamilienhausgartenbesitzer, durchgängig auf exakt die acht Millimeter gestutzt sein, wie sie auch für die Tennisplätze in Wimbledon vorgesehen sind, und auf keinen Fall durfte auch nur ein Gänseblümchen den grünen Teppich unterbrechen. Für die Rasenpflege sind normalerweise die Kinder zuständig - was heißt zuständig: Sie wurden durch mehr oder weniger sanften elterlichen Druck darauf hingewiesen, dass schon wieder vereinzelte Halme länger als ein Zentimeter sind, höchste Zeit zum Mähen also. Ob durch klimapolitische Diskussionen mit den Nachkommen, ob durch eigene Überlegung - die Einsicht scheint sich langsam durchzusetzen, dass die grüne Monokultur nicht nur optisch langweilig ist, sondern dass pflanzliche Diversität am Rande der Terrasse den Bienen und dem ganzen anderen Flug-Zeug Nahrung und Lebensraum bietet. Nun darf's wuchern - die Gartenbesitzer sind keine Greenkeeper mehr, sie keepen jetzt auch Rot, Pink, Blau, und sogar der vermaledeite Löwenzahn, die Stadttaube unter den Gartenpflanzen, wird mehr und mehr geduldet.

Den Kindern ist's recht, und den Wegfall ihrer Pflicht können sie sogar schlüssig mit der Rettung der Erde begründen. Wenn die Eltern sie mal suchen sollten: Sie tun das, was junge Leute meistens am liebsten tun, heutzutage heißt das "chillen". Wahrscheinlich im Garten, wo die Wiese mittlerweile so hoch steht, dass man kein Kind mehr sieht.

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