Münchner Momente:Reine Handarbeit

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Handgeschöpftes, Handverlesenes, Handgemachtes: Der Trend ist eindeutig. Manchmal aber geht er inzwischen auch ein bisschen zu weit

Kolumne von René Hofmann

Vermutlich ist es ein echtes Kopfding, dieser Fetisch um die Hand. 1560 Frauen und Männer haben in diesem Jahr in Oberbayern die Meisterprüfung bestanden, was vor einer Woche mit Deutschlands größter Meisterfeier in der Messe München gewürdigt wurde. Das Werken mit den Händen wurde dort ausgiebig gelobt - auch von ausgesprochenen Kopfarbeitern. Heinrich Bedford-Strohm, der gerne Bäcker geworden wäre, bevor er auf den Berufsweg bog, der ihn in das Amt des Landesbischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche führte, erklärte: "Das Handwerk zeichnet sich durch seine Menschennähe aus und hat eine wichtige Bedeutung für die Gesellschaft: Das Produkt zählt."

Kein Grund also für Minderwertigkeitskomplexe! Derlei sind mancherorts ja zu erahnen bei Kleingewerbetreibenden - und abzulesen sind sie an Firmenschildern, die das Angebot in überraschende Dimensionen rücken: In Aubing gibt es einen "Maler(Weih)Betrieb", in Haidhausen eine Reinigung, die als "Atelier für Textilpflege und Waschkunst" firmiert. Die Zeiten, in denen allein das Tun das Werk bestimmte und die Lautmalerei die Geschäftsschilder, in denen die Stücke des Kopfschlächters in der Fleischhauerei feilgeboten wurden - sie sind vorbei.

Eine Gegenbewegung aber gibt es: Je mehr Waren sich mit einem Fingerzeig auf dem Handy ordern lassen, desto größer wird offenbar die Sehnsucht nach Handgeschöpftem, Handverlesenem. Nach Dingen, die nicht aus irgendeiner Maschine purzeln. Gerade in München gilt das. Handcrafted Bier, Gin, Wodka, Kümmellikör - schon das Sortiment des händisch angesetzten Alkohols zeigt das. Es gibt eine Brot- und eine Pasta-Manufaktur und - seit 2007 - in Schwabing angeblich die erste Salatmanufaktur überhaupt. Inzwischen offeriert auch eine Fahrschule ihre Dienste unter dem Lable "Manufaktur". Ihr Angebot: "drivers license +++ handcrafted" - also der handgemachte Führerschein. Das klingt zwar eher nach einer Fälscherwerkstatt als nach einer seriösen Ausbildungsstätte. Aber vermutlich ist es nichts anderes als Illusionstheater. Handgemacht, selbstverständlich.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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