Münchner Momente:Pendeln mit Profit

Die große Koalition hat beschlossen, die Pendlerpauschale zu erhöhen. Das dürfte eher nicht dazu beitragen, dass Münchn in der Altstadt autofrei wird. Dem steht allerdings auch eine Initiative aus anderer Richtung entgegen - die ebenfalls Autofahrern zugute kommt

Kolumne von Thomas Anlauf

Die in München lebende Astrophysikerin Suzanna Randall will ja jetzt ins All fliegen. Zunächst nur bis zur Weltraumstation ISS, aber wenn es nach ihr ginge, sogar gleich bis zum Mars. Dieser Pioniergeist ist unbedingt unterstützenswert, sie wäre sogar die erste deutsche Frau am Sternenhimmel. Bislang war lediglich für elf männliche Star-Trek-Freaks aus Deutschland das All einmal Alltag. Gut, ganz günstig wird der Kurztrip zu der Weltraum-WG nicht. Einmal hin und zurück kostet zwischen 50 und 80 Millionen Euro, schätzt die Marsophile. Aber eigentlich ist das seit Freitag kein Thema mehr. Künftig erhalten Pendler ja Zulage, fünf Cent mehr pro Kilometer, so will es die Koalition in Berlin. Sollte es für Randall mit ihren hochfliegenden Plänen zum Mars klappen, wären das mindestens 54,5 Millionen Kilometer einfach, da lohnt locker die weite Anreise.

Aber halt, das ist eine ungerechte Neiddebatte. Wer täglich zum Beispiel aus Weilheim mit dem Auto nach München zum Marienplatz pendelt, steckt oneway maximal 53 Kilometer im Stau (er oder sie könnte natürlich auch mit dem Zug fahren), und soll dafür künftig immerhin 2,65 Euro vom Staat zusätzlich geschenkt bekommen, an jedem Arbeitstag. Macht bei 220 Arbeitstagen im Jahr 583 Euro, weil der Pendler so weit zur Arbeit fahren muss. Blöd nur, dass Oberbürgermeister Dieter Reiter nun verhindern will, dass Autofahrer bis zur Altstadt vordringen.

Doch dagegen gibt es jetzt aktiven Widerstand: Am Freitag startete die Bild eine große Pendler-Aktion. Wer mit dem Boulevard-Blatt in der Hand zur Stachus-Tiefgarage an der Herzog-Wilhelm-Straße fuhr, durfte dort zwischen 7 und 24 Uhr kostenlos parken. Der Gutschein war 25 Euro wert. Für das Geld hätte man zwar mit der MVV-Isarcard eine Woche lang zwischen Puchheim im Westen und Baldham im Osten durch München pendeln können, aber geschenkt. Die autofreie Altstadt bleibt vermutlich ohnehin eine Utopie von Münchnern, die keine Pendlerpauschale XXL bekommen. Eher wird wohl Astronautin Randall mit ihrer Raumkapsel auf dem Marienplatz landen.

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