Münchner Momente:Lehren aus der Radlnacht

Bei der Radlnacht war zu beobachten, was passiert, wenn innerstädtische Freiflächen mal nur einer Spezies von Verkehrsteilnehmern überlassen werden. Es war, kurz gesagt, gemeingefährlich

Von Stephan Handel

Radfahrer hassen Autofahrer. Autofahrer hassen Fußgänger. Fußgänger hassen . . . ach, irgendwie hasst jeder jeden im Straßenverkehr, und weil auch jeder bei Gelegenheit in jeweils anderer Funktion unterwegs ist, ist dafür gesorgt, dass es ganz bestimmt nicht zu idyllisch wird auf Münchens Straßen. Natürlich ist jeder jeweils überzeugt davon, dass er alles richtig macht und die anderen lauter Idioten sind, bei denen mal wieder dringend der Verkehrskasper vorbeischauen müsste.

So gesehen ist es natürlich interessant zu sehen, was passiert, wenn die innerstädtischen Freiflächen mal nur einer Spezies von Verkehrsteilnehmern überlassen werden - zum Beispiel den Radlern, die ja gerne lamentieren, dass sie die Opfer der bösen Autofahrer sind, die keine Rücksicht nehmen auf fehlende Knautschzonen und generelle Unterlegenheit auf zwei Rädern. Am vergangenen Samstag nun war die Radlnacht, da hätten die Radler genau dieses schön beweisen können: Wie friedlich es auf den Straßen zuginge, wenn nicht immer die Benzinstinker dazwischenfahren.

Wer allerdings so gegen 22 Uhr mit dem Rad nach Hause fuhr und dabei mehr oder weniger zufällig in den Pulk geriet, der kam schnell zu einer anderen Conclusio. Mit einem Wort: lebensgefährlich. Zu anderen Zeiten werden Radler ja noch einigermaßen diszipliniert durch das Wissen, dass sie sich mit einem Auto besser nicht anlegen. Wenn dieser zivilisatorische Einfluss jedoch wegfällt, geht's zu wie bei Bakunin im Hinterhof, auch jenseits der freigegebenen Flächen: Rote Ampeln sind nicht mehr als unverbindliche Vorschläge, das Rechtsfahrgebot ist ja wohl etwas für Feiglinge, sowieso existieren Regeln nur für Schwache, der wahre Held setzt sich darüber hinweg und radelt, wie es ihm gefällt. Dazu gehört auch, dass jeder, der durch vorschriftsgemäßes Verhalten den Verkehr aufhält, im Vorbeibrausen noch wüst beschimpft werden muss.

Mag ja sein, dass Radler die besseren Menschen sind, was die Umweltbilanz angeht. Was aber Anstand, Rücksichtnahme und Vorsicht im Straßenverkehr angeht, so hat die Radlnacht eines gezeigt: Lieber noch ein paar Autos auf den Straßen, als mit diesen Radfahrern allein unterwegs.

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