Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Künstliche Blödheit

Der Bankkunde versucht, eine Überweisung für den nahenden Urlaub per Telefonbanking zu regeln. Er scheitert an einem Sprachcomputer - fast

Glosse von Karl Forster

Es ist nur ein paar Tage her, da lief im Fernsehen wieder einmal der grandiose Film "Die Verurteilten". So ziemlich gegen Ende hebt Tim Robbins als der erfolgreich geflohene Lebenslängliche Andy Dufresne in einer Bank ziemlich viel Geld ab und bittet dann die Schalterdame, für ihn doch bittschön noch ein Couvert bei der Post aufzugeben. Und diese Dame sagt: "Aber selbstverständlich, gerne!" Nun stammt der Film aus dem Jahr 1994 und spielt im Service-Paradies Amerika.

Wer heutzutage von einer Bank, in Deutschland, in München, was will, steht vor weit größeren Herausforderungen als der unschuldig verurteilte Andy Dufresne bei der Flucht aus dem Gefängnis. Sollte man, was ja vorkommt, eine gewisse Skepsis gegenüber dem Online-Banking und, was ebenso vorkommt, eine Allergie gegen persönliches Vorsprechen am Bankschalter hegen, bleibt einem die Errungenschaft des Telefonbankings, wenn auch oft mit halbstündigem Wartezeitgedudel. Die Gesprächspartner im Callcenter sind durchwegs freundlich, manchmal gar zum Scherz aufgelegt.

Doch das ist Vergangenheit. Denn die Bank mit dem "Bayerische" im Namen und einem imposanten Zentralgebäude in Bogenhausen beschloss, zum 15. August diesen Service umzustellen, respektive statt des Callcenterpersonals den Kunden mit künstlicher Intelligenz in Form eines Sprachcomputers zu erfreuen. Bei dem Versuch nun, dieser Sprachmaschine eine Überweisung zur Anzahlung eines nahenden Urlaubsaufenthalts abzutrotzen, geriet der Bankkunde in Gefahr, zum Amokläufer zu werden. Schon die nicht deutsche Einleitung zur Iban, also statt DE das Kürzel CH, dauerte etwa eine halbe Stunde, weil die Künstliche Intelligenz mit den Kürzeln "Cäsar Heinrich" genauso überfordert war wie mit dem offiziellen Pilotenalphabet "Charly Hotel".

Es verging dank der künstlichen Blödheit ein halber Abend, bis man sich endlich zur Buchungsnummer durchgewurschtelt hatte. Die aber bestand aus Ziffern, Buchstaben und Minuszeichen. Das war der Intelligenz am anderen Ende zu viel, was wiederum den Kunden nach der 43. Aufforderung "Können Sie das wiederholen?" endgültig um den Verstand brachte. "Du Volldepp" brüllte er ins Telefon. Die Antwort kam prompt: "Ich habe Sie nicht verstanden. Können Sie das bitte wiederholen?"

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Quelle:
SZ vom 30.08.2021
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