Münchner Momente:Genervt? Ab nach Grottole!

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Auf einer Onlineplattform kann man derzeit ein Sabbatical in der süditalienischen Provinz gewinnen. Es ist völlig klar, dass dafür nur Münchner infrage kommen - alles andere ergäbe keinen Sinn

Kolumne von Anna Hoben

Sind Sie ausgebrannt und brauchen eine Pause? Wollen Sie Ihre Wurzeln finden? Brauchen Sie eine neue Herausforderung? Wollen Sie Bauer oder Bäuerin werden? Das Leben an einem abgelegenen, ländlichen Ort erleben? Oder ein sterbendes Dorf unterstützen? Dann könnten Sie die oder der Richtige sein, um den kommenden Sommer in Grottole zu verbringen. Die Onlineplattform Airbnb hat einen Aufenthalt in dem Dorf in der süditalienischen Provinz Matera ausgeschrieben, Sabbatical nennen sie das. Man kann sich dafür bewerben, vier Plätze gibt es zu gewinnen. Dafür muss man die Gründe für seine Motivation benennen - siehe oben -, wobei allerdings der folgende triftige Grund in der Liste zum Ankreuzen fehlt: "Ich bin zu genervt vom Münchner Wohnungsmarkt".

Die Fotos, die für die Aktion werben, zeigen strahlende Sonnenblumen, ein pittoreskes Dorf im sanften Abendlicht, Wiesen in sattem Grün. Was man tun muss, wenn man gewinnt? Morgens Cappuccino trinken und abends einen Aperitivo mit den Dorfbewohnern, dazwischen ganz normales italienisches Dolce Vita. Klingt machbar. Okay, man soll den Dorfbewohnern auch ein bisschen helfen, beim Gemüseanbau und solchen Dingen, und man soll als Airbnb-Gastgeber Fremden den Ort zeigen. Dafür kann man anschließend Rosa besuchen, angeblich die beste Köchin im Dorf. Ihre Tür stehe immer offen, schreibt Airbnb, falls man plötzlich Heißhunger auf Pasta verspüre. "Sie wird in ihrer Küche auf dich warten, wo sie dir zeigt, wie man köstliches italienisches Essen zubereitet." Hach.

Es ist völlig klar, dass Airbnb für die Aktion Leute aus München aussuchen muss, alles andere ergäbe überhaupt keinen Sinn. Dank der Nähe zu Italien müssen Münchnerinnen und Münchner das Dolce Vita nicht erst mühsam erlernen. Sie wissen, wie das geht mit dem Cappuccino und dem Aperitivo - und das mit Airbnb. Okay, in Grottole kann man vermutlich die Preise in der zweiten Septemberhälfte nicht verdreifachen. Dafür erzählt einem dort aber auch niemand etwas vom bayerischen Zweckentfremdungsgesetz. 300 Menschen wohnen zurzeit in dem Örtchen, 600 Häuser stehen leer. Airbnb sollte weitere Dörfer wie Grottole finden und all jene dorthin einladen, die bislang in München Wohnraum dem regulären Markt entziehen. Ihre hiesigen Wohnungen könnten dann - Win-win! - wieder zum Wohnen genutzt werden.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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