Privatsphäre:Geldwäsche, Baby!

Fernmeldegeheimnis? Was soll das sein? Nicht nur Handys, auch Freisprechanlagen bieten immer wieder interessante Einblicke.

Glosse von Michael Bremmer

Kosenamen sind eine intime Sache. Eine Sache zwischen Bär und Muschi. Einen Dritten geht das nichts an. Aus diesem Grund gibt es das Fernmeldegeheimnis. Ach so, kennt heute keiner mehr? Heißt heute ja auch Telekommunikationsgeheimnis - dahinter steckt das Verbot, ein Telefonat unbefugt abzuhören. Unbefugt, wohlgemerkt, nicht unfreiwillig.

Das ist jetzt wichtig. Denn wer einmal einen ganzen Tag lang in München unterwegs ist, weiß, wie viele Schatzis und Mäusezähnchen in der Stadt wohnen. Auch das geht zwar niemanden etwas an, aber weil Menschen heutzutage permanent am Mobiltelefon hängen, bekommt man halt viel davon mit. Und man wird dann ja wohl kurz neugierig sein dürfen, wenn ein Boyfriend sein Girl am Handy - wie kürzlich in Untersendling zu belauschen - mit Schweineschnute begrüßt.

Früher gab es das nicht. Die Schweineschnute schon. Aber man hat es halt nicht mitbekommen. Denn einst gab es quer durch München verteilt Telefonhäuschen. Ganz in Gelb, mit Glasscheiben, damit man auch sehen konnte, ob das Telefon besetzt ist. Am Anfang noch mit Münzeinwurf und Wählscheibe. Und mit einer solchen Ladung Telefonbücher, dass man mit Einkaufstaschen kaum ins Häuschen kam. Saumäßig unbequem, dafür aber intim.

Dann kamen die Telefonkarten. Die waren mit Fotos bedruckt, mit der Fußballmannschaft des FC Bayern oder mit einem Bild von der Mondlandung, beides aber nicht ganz so sensationell wie die Option, plötzlich ohne Bargeld telefonieren zu können. Und wenn schon modern, dann richtig. Irgendwann verschwanden die Kabinen der öffentlichen Fernsprecher, die Automaten hingen im Stachus Untergeschoss einfach an der Wand, drei Stück nebeneinander. Bis sie ganz abmontiert wurden.

Heute telefoniert man überall. Sogar im Auto. Kürzlich an einer Kreuzung an der Einsteinstraße stadtauswärts. Weil es heiß ist an diesem Tag, sind die Fenster der Autos offen. Wer kann, fährt auf einem Roller. Wer noch mehr kann, fährt in einem stattlichen Cabrio. Wie der Geschäftsmann, der gerade wartet, dass die Ampel auf Grün schaltet. Schwarzes Hemd, kurzarm, verspiegelte Sonnenbrille.

Er telefoniert, so ist es anzunehmen, mit einem Geschäftspartner. Nicht am Handy, natürlich nicht, das ist ja im Straßenverkehr verboten. Der Verspiegelte hat eine Freisprechanlage. Der Sound ist gut. Läuft über die Boxen des Autoradios. Er lächelt zufrieden. Dass andere mithören können - egal. Bis der Gesprächspartner plötzlich ein verdächtiges Wort sagt: Geldwäsche.

Upps, da ist es wieder, das Fernmeldegeheimnis. Jetzt wäre es interessant zu erfahren, wer Geld wäscht. Oder wie. Oder wo. Oder warum? Der Mann nebenan auf dem Roller muss lachen. Der Mann im Kleinwagen auch. Nur der Geschäftsmann im Cabrio lächelt nicht mehr. Er sagt nur kurz zu seinem Gesprächspartner, er rufe ihn vom Büro aus an. Dann legt er auf und braust davon. Schade, dass nicht auch noch seine Freundin angerufen hat.

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