Wer in München lebt und noch dazu in einem Viertel, das Makler als beliebt anpreisen, der weiß die Zeichen zu deuten. Wenn der alte Laden für Bilderrahmen schließt und an seiner statt eine Galerie eröffnet, wenn in den Cafés mehr Bowls verkauft werden als Käsesandwichs, dann wird wahrscheinlich bald die nächste noch kleinere Wohnung zu einem noch höheren Preis verkauft werden. Doch falls wer noch nicht mitbekommen haben sollte, was in seinem Viertel vor sich geht, den klärt nun netterweise ein großes Münchner Immobilienbüro über die Situation auf: "Es tut sich was in Ihrer Nachbarschaft", steht auf einer Karte im Briefkasten.
Es folgen dann noch ein paar andere Neuigkeiten, wie zum Beispiel: "Immobilien in München sind bei unseren Kunden äußerst beliebt." Oder: "Bei der großen Nachfrage gehen natürlich viele leer aus." Wobei das Immobilienbüro daraus nicht den Schluss zieht, dass an dem kaputten Markt womöglich auch seine Kunden nicht unbeteiligt sein könnten. Das Unternehmen wendet sich lieber vertrauensvoll an die Nachbarschaft: Damit die Kundschaft auch in Zukunft noch genügend zu kaufen hat, solle man doch gerne Bescheid sagen, wenn man mitbekomme, dass ein Haus oder eine Wohnung zum Verkauf stehe. Wer dem Unternehmen einen hilfreichen Tipp gibt, erhält zehn Prozent von der Provision, wenn das Büro die Immobilie anschließend weiter verkauft, wie auf dem Flyer zu lesen ist.
Das könnte ein geschickter Zug sein, um sich die wachsamen Nachbarn zunutze zu machen und in den beliebten Vierteln immer als Erster zu erfahren, wo eine Wohnung zu Geld zu machen ist. Aber es geht natürlich um viel mehr - es geht um den Kampf gegen die Ungleichheit. Wer seine Miete kaum noch zahlen kann, der kann sich mit solchen Tipps nun ein wenig Geld dazu verdienen und so wiederum noch ein wenig länger in seinem Viertel wohnen bleiben. Zumindest bis das eigene Haus verkauft und zum wertvollen Tipp wird.