Münchner Momente:Es steht geschrieben

An Containern, an Ampeln, an Hauswänden: Flüchtig hingeschriebene Botschaften lassen sich in München vielerorts finden. Manche aber können durchaus hilfreich sein

Glosse von Jakob Wetzel

Manchmal fehlen einem die Worte. Deshalb ist es prima, dass die Münchnerinnen und Münchner so hilfsbereit sind. Das zeigt sich zum Beispiel an der Ludwigsbrücke. Dort, auf dem Betonklotz einer Baustellenampel, hat einer hilfsweise mit schwarzer Sprühfarbe das Wort "Rüpl" notiert. Bevor Beschwerden kommen: Ja, das ist verkehrt geschrieben, schon klar. Aber es zählt die Geste. Man stelle sich vor: Es radelt einer nichtsahnend zur Kreuzung, da schneidet ihn ein Auto, oder ein Elektro-Tretroller saust auf der verkehrten Straßenseite heran, oder ein Fußgänger hüpft plötzlich auf den Radweg, vielleicht auch alles zugleich, egal: Der Radler bremst scharf, bringt das Rad gerade noch zum Stehen, doch das war es dann mit der Geistesgegenwart. Da steht er dann und weiß auf die Schnelle nicht, wie er schimpfen soll - und schon ist alles zu spät, die anderen sind weitergefahren. So war es bisher. Jetzt aber genügt ein Blick auf den Klotz, und schon kann der Radfahrer sofort "Rüpel!" rufen, das klingt zwar etwas norddeutsch, aber es ist immerhin jugendfrei. Ein Dank an den hilfsbereiten Schreiber! Die Ludwigsbrücke ist damit zweifellos ein besserer Ort.

Und sie ist nicht allein. Wohlwollende Menschen haben in München zahllose Merkhilfen hinterlassen. Wer mit offenen Augen durch die Stadt spaziert, findet sie auf Ampeln und Geländern, an Wänden, auf Stromkästen und Brüstungen. In der Nähe des Schyrenbads etwa haben zuvorkommende Leute an geschätzt jede zweite Hauswand "Karlo" und "Klaus" geschrieben. Es ist fast rührend, und es bleibt zu hoffen, dass es hilft. Dass also künftig wirklich niemand mehr diese zwei vergessen wird, was dem armen Karlo und dem ebenso armen Klaus ja bislang offenbar ständig passiert. Man kennt das ja: Wer war das noch, wie hießen die beiden? Kai? Kilian? Khalil? Dings? Aber jetzt steht es da: Karlo und Klaus! Wie aufmerksam.

Wenige Schritte weiter hat ein selbstloser Mensch in himmelblauer Farbe "Hallo" auf einen Wertstoffcontainer geschrieben. Auch das ist sehr nett, die Situation ist ja geläufig: Da wirft einer seine Flaschen ein, und dann kommt ausgerechnet dieser Nachbar. Was tun? Ach so: Hallo! Und schon ist die Situation gerettet. Aber irgendetwas stimmt nicht. Auf dem Nachhauseweg fällt der Entschluss dann eigentlich von selbst: Beim nächsten Spaziergang kommt ein Stift in die Hosentasche. Es gibt in München so viele Kreuzungen, so viele Container und so viele Menschen, die ständig vergessen werden, es sollte noch viel mehr Merkhilfen geben. Doch der erste Weg wird zum Schyrenbad führen. Und dann wird aus dem "Hallo" erst einmal ein "Servus".

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