Münchner Momente:Einfach mal machen

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Ein simpler Antrag der Grünen für den Stadtrat sieht vor, dass Schulklassen künftig kostenlos durchs Rathaus geführt werden sollten. Was in der Maschinerie der Verwaltung mit dem Vorschlag passiert, ist abenteuerlich

Kolumne von Heiner Effern

Die Verwaltung in München ist unterwandert von Anarchisten. Zugegeben, das wird nicht immer auf den ersten Blick deutlich, aber beim Lesen so mancher Beschlussvorlage für den Stadtrat kommt man an dieser Erkenntnis nicht vorbei. Wie da ein vernünftiges Anliegen mit offenbar großer Lust und schonungslos ad absurdum geführt wird, das kann nur ein Angriff auf das System sein. Sonst müsste man unterstellen, dass der Verwaltung immer mal wieder eine Vorlage des Satire-Magazins Postillon durchrutscht.

Zum Beispiel befasst sich der Wirtschaftsausschuss am Dienstag mit einem Antrag der Grünen, Schulklassen künftig kostenlos durchs Rathaus zu führen. Politischer Bildungsauftrag, gelebte Demokratie, klingt sinnvoll. Auch der Besuch einer Stadtratssitzung gehört natürlich dazu. Aus der Beschlussvorlage ist nun zweierlei zu lernen: Zuständig für Rathausführungen ist laut Stadtratsbeschluss das Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW), Fachbereich 4 Tourismus. Und deren Gästeführer arbeiten keineswegs gratis, dafür aber nur montags und freitags. Blöd für die Schüler, dass grad an diesen beiden Tagen der Stadtrat nicht tagt. Mehr als 30 Führungen im Jahr sind zudem laut RAW nicht drin. Aber die Verwaltung hat auch Lösungen: Bezahlen soll die kostenlosen Touren das Bildungsreferat. Und die Schulklassen, die im Rathaus gerne auch eine Stadtratssitzung besuchen würden, sollen halt an einem anderen Tag noch mal vorbeikommen.

Bei solch gelebter Bürgernähe gerät man tatsächlich ins anarchistische Träumen. Wenn nun Oberbürgermeister Dieter Reiter einfach im Rathaus oder in den Referaten rundum drei kinderfreundliche Mitarbeiter suchen würde, die sich zweimal die Broschüre über das Rathaus durchlesen würden. Und wenn jeder dieser drei einmal pro Woche von Dienstag bis Donnerstag eine Stunde lang eine Schulklasse herumführen würde, und ja, auch eine Stadtratssitzung besuchen würde. Dann hätte man, Ferienzeiten abgezogen, locker 90 Führungen im Jahr, unprofessionell, aber mit Herz. 4000 Euro und mancher Verwaltungsakt wären gespart. Und das auch, wenn der OB den Gästeführern am Jahresende eine Pulle Champagner spendieren würde. Aber, wie heißt es so platt: Träume sind Schäume.

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